Genügsamkeit macht souverän!
In Monty Pythons Life of Brian gibt es viele berühmte Szenen, eine hat sich im Kopf besonders tief festgesetzt. In ihr sagt Brian zu seinen Anhänger:innen: „Ihr seid doch alle Individuen“ worauf sie antworten „Ja, wir sind alle Individuen.“ Darauf sagt Brian: „Und Ihr seid alle völlig verschieden.“ Darauf folgt die Antwort: „Ja wir sind alle völlig verschieden“, nur eine (oder auch einer?) ruft im Hintergrund: „Ich nicht!“
Ein herrlicher Witz mit einem wahren Kern. Denn wir sind alle einmalig, wie auch andere Spezies alle einmalig sind. Und wir wollen das auch stets betonen, ganz nach dem Motto „Hauptsache anders“. Auch wenn unser Genom sich sehr ähnelt, gibt es doch immer etwas, das nur bei uns persönlich so ist und uns ausmacht. Das ist schön, hilfreich und auch spannend, ganz im Gegensatz zu einer möglichen Welt aus geklonten oder genetisch optimierten Wesen. Und diese Individualität wollen wir, mal mehr, mal weniger, ausleben. Wir möchten hervorstechen aus der Masse, allen zeigen, dass wir eben nicht so sind wie die anderen. Die Marktwirtschaft reagiert darauf mit Freude und bietet uns für alle Bereiche des täglichen Lebens individuelle Lösungen, die genau das natürlich nicht sind. Wie sollte das auch funktionieren? Die großen Modelabels stellen nun mal keine abertausend unterschiedlichen Kleidungsstücke her, sondern produzieren in hohen Stückzahlen. Nein, hier können wir sicherlich nicht „unseren Style“ finden. Den gäbe es höchstens bei Anzugschneider:innen oder dem antiquierten Modehandwerk.
Kaufbares Glück
Neben dem weit verbreiteten Glauben, dass Konsum Befriedigung und Zufriedenheit schafft liegt den unterschiedlichsten Lebensmodellen oft die Vorstellung zu Grunde, dass Geld glücklich und viel Geld noch glücklicher macht. Vielleicht ist das ja auch in manchen kleinen Momenten tatsächlich der Fall. Dass der Besitz von Geld beruhigt und so manche Sorge verringert ist daher eine Binsenweisheit. Gleichwohl gibt es jedoch keine Geldmenge, die uns von Sorgen befreit. Ganz im Gegenteil: der Besitz von viel Geld führt gar zu Problemen, die es ohne Reichtum gar nicht gäbe. Neben dem Happiness-Income-Paradoxon sind es die ganz normalen Sorgen, die trotz materieller Sicherheit nicht verschwinden. Und, das wusste schon der Ökonom Richard Easterlin 1974: „Wenn grundlegende Bedürfnisse gestillt sind, führt mehr Reichtum nicht zu mehr Glück.“
Was sind wir doch für armselige Wichte, wenn wir unser Selbstbewusstsein allzu sehr davon abhängig machen, dass wir uns Produkte zulegen, nur um sie unser Eigen nennen zu können. Es gibt dazu viele groteske Beispiele, wie etwa Kleidungsstücke, die ungetragen im Kleiderschrank von Motten zerfressen werden oder die riesige Menge an Dingen, die viele von uns Menschen besitzen. Unsere Besitztümer häufen sich, trotz hoher Wegwerfquoten, weiter an. Die Halbwertszeit unserer materiellen Glücksgefühle wird immer kürzer, viele haben längst die Kontrolle über ihre wahren Bedürfnisse verloren indem sie an essentiellen Dingen sparen um sich extravagantes leisten können. Das teure Mobiltelefon spart sich so manche:r im wahrsten Sinn des Wortes vom Mund ab.
In dem Zusammenhang sollten wir natürlich nicht übersehen, dass es viele und immer mehr Menschen gibt, die an einem akuten Mangel an Geld, Nahrung oder Trinkwasser leiden. Grausamerweise sind die Lebensumstände dieser Menschen Teil der Konsequenzen unseres Drangs einer konsumgestützen Individualität.
Konsum ist gut?
Ganz abgesehen vom zweifelhaften Zugewinn durch das Besitzen möglichst vieler Dinge, die uns in einen Kreislauf treibt, gibt es aber auch das zunehmend wachsende Bewusstsein, dass die Produkte nicht gut für den Planeten sind. Ein geschickter Coup der Produzierenden ist daher, für gute Gewissen zu sorgen. Dabei hat man keine Skrupel, Begriffe zu missbrauchen. Heute schreiben alle möglichen Institutionen und Unternehmen ihre Satzungen um und modifizieren ihre Unternehmensziele. Ganz weit vorne dabei ist die Nachhaltigkeit. Papier ist geduldig und Ziele mehr als genügend formuliert. Was hier passiert ist die größte Greenwashing-Kampagne aller Zeiten. Es soll uns glauben gemacht werden, dass so manch lieb gewordenes Produkt nachhaltiger geworden ist und wir guten Gewissens weiter machen können. Es ist bisweilen sogar so, dass es ökologisch zu sein scheint, möglichst viel eines bestimmten Produktes zu kaufen, da damit beispielsweise proportional viel Regenwald geschützt wird. Aber der Begriff der Nachhaltigkeit ist dadurch mittlerweile so sehr beschädigt und ausgelutscht, dass er besser erst gar nicht mehr verwendet werden sollte.
Genügsamkeit ist die neue Nachhaltigkeit
Die einzige grundlegende Strategie, die hier helfen könnte ist der Verzicht. O.k., das klingt nach Rückschritt. Ist es aber gar nicht, ganz im Gegenteil. Es ist durchaus faszinierend auszuprobieren, was alles unnötig und zeitraubend ist. So behauptet etwa die Musikerin Lael Neale, eine Minimalistin zu sein, nicht weil sie Dinge nicht mag, sondern weil sie Freiheit mehr schätzt. Darin liegt ein Lösungsweg. Die Rückbesinnung auf sich selbst durch Reduktion aufgesetzter Maskierung und vermeintlichen Drucks der Gesellschaft. Denn je weniger an materiellen Dingen wir uns überstülpen, desto deutlicher wird unsere Individualität und umso souveräner werden wir. Unabhängigkeit steht für Souveränität, Selbstbestimmung und Freiheit. Das ist es doch, was wir eigentlich anstreben. Aber Achtung: Individuelle Freiheit befreit uns jedoch keineswegs davon, bewusst und verantwortungsvoll zu handeln. Freiheit alleine ist schließlich nur im Zusammenspiel mit Rücksichtnahme möglich, da sie nur so für andere möglich wird oder bleibt. Ein klein wenig Reminiszenz ist dabei durchaus hilfreich. Denn wie sagte einst Karl Valentin: „Die Zukunft war früher auch besser.“
Matthias Hüttmann