Der Schatz des Drachen
Chinas expansive Energie- und Rohstoffpolitik: Geld, das beweisen uns die aufgeregten Diskussionen um den Wert des Euros in den letzen Wochen, ist nicht alles auf der Welt. Wer als Exportweltmeister mit der Belieferung der Welt mit Produkten erfolgreich sein möchte, benötigt für seine Volkswirtschaft neben günstigen Arbeitskräften vor allem auch Rohstoffe und Energie zu günstigen Konditionen. Die Strategen in Chinas Zentralkomitee haben diese Voraussetzungen seit langem erkannt und in vielen Bereichen der Welt eine Beschaffungspolitik eingefädelt, die so ganz anders ist, als wie westliche Nationen einfach auf die Weltmärkte zu setzen. China agiert in vielen Bereichen mit den kreativen Mitteln des Tauschhandels und macht damit ausdrücklich Geld und Schulden nicht zum Kern seines Handelsgeschäftes mit den Rohstofflieferanten.In den nächsten Abschnitten wird die Handelspolitik Chinas am Beispiel unterschiedlicher Rohstoffe und Handelspartner analysiert und ein Ausblick darauf gegeben, welche Auswirkungen die Welt hierdurch erwarten kann.
Kupfer – Rohstoff für Solar- und Elektroindustrie
Im Bereich Kupfer geht China vornehmlich in Afrika und Australien auf Einkaufstour. Zuletzt in der Demokratischen Republik Kongo, die 2007 aus einem blutigen Bürgerkrieg hervorging. Noch als die letzten Kämpfe liefen, fand sich ein chinesisches Konsortium in der Hauptstadt Brazzaville ein, um mit der noch wackligen neuen Regierung einen Vertrag über 9 Milliarden US-Dollar abzuschließen. Ziel des Vertrages, der chinesische Investitionen von 3 Milliarden US-Dollar im Kongo nach sich zieht, ist es, aus dem Kongo 10 Millionen Tonnen Kupfer und 600.000 Tonnen Kobalt zu extrahieren und nach China zu exportieren.
Das allzu rasche Handelsgeschäft mit der neuen Regierung wird international mit allergrößtem Argwohn betrachtet, schafft es doch für die internationalen Alt-Gläubiger des Kongo eine unkomfortable Verhandlungsposition. Die 11 Milliarden Dollar Schulden, die Kongo‘s Ex-Präsident Mobuto hinterlassen hat, werden nicht zurückgezahlt, während China unter Umgehung der üblichen Gepflogenheiten mit den Rohstoffen das Tafelsilber außer Landes schafft. Unter großem politischen Druck soll der Internationale Währungsfonds (IWF) nun den clever eingefädelten Deal verhindern oder rückabwickeln.
Erdgas – Energie für die Industrie
Im Bereich Erdgas sind die Geschäfte des chinesischen Drachen international weniger umstritten, die betroffenen Handelspartner verhalten sich vielmehr verdächtig ruhig. Im letzten Jahr hat China einen Vertrag mit Russland abgeschlossen, der den Ausbau eines Erdgaspipelinenetzes beinhaltet, das Gas von Sibirien direkt nach China liefern soll. Diese neue Pipelinestrecke verläuft nur über russisches und chinesisches Hoheitsgebiet und würde innerhalb von fünf Jahren jährlich 80 Milliarden Kubikmeter Gas direkt in die chinesischen Industriegebiete liefern.
Gazprom und der staatliche chinesische Öl- und Gaskonzern CNPC haben hiermit eine funktionierende wirtschaftliche Alternative zu den manchmal schwierigen Gaslieferungen nach Europa geschaffen. Bei etwaigen Konflikten mit Transitländern wird nun nicht nur die Option des Lieferstopps auf dem Programm stehen, sondern womöglich auch einfach die Lieferung in Richtung China als preistreibende Option wahrgenommen. Daran werden die anderen Optionen, wie die von Alt-Kanzler Schröder verlegte Ostseepipeline Nordstream nicht viel ändern. Wer sich seinen Kunden aussuchen kann, wird auch die Preise erhöhen.
China setzt für seine Energieversorgung jedoch nicht nur auf das russische Erdgas. Auch mit Australien, mit dem man zwischenzeitlich zwar erheblichen diplomatischen Streit über die Verhaftung des australischen Rio Tinto Eisenerz-Managers Stern Hu hatte, ist pragmatischer Partner einer neuen Geschäftsidee. Petro China hat sich über die nächsten 20 Jahre die Jahresmenge von 2.25 Millionen Tonnen australisches Erdgas für 50 Milliarden Australische Dollar aus dem Gorgon Feld im westlichen Australien gesichert. Für diesen hinter verschlossenen Türen in Peking unterzeichneten Deal wird extra mit der Erschließung des Feldes ein neues Flüssiggastankerterminal gebaut, in dem die Ware exklusiv nach China exportiert werden kann.
Lithium – Baustein der Elektromobilität
Während Amerika Milliarden von US Dollar ausgibt, um den globalen Fluss des Öls aufrecht zu erhalten, bewegt sich China rasch in den Markt des Nach-Öl-Zeitalters. Gerade weil China versteht, dass man auf Dauer geringere Löhne nicht als einzigen Wirtschaftsfaktor erhalten kann, sondern auch an der Technologieführerschaft arbeiten muss. Im elektrischen Mobilitätssektor wird deshalb strategisch eine nachhaltige Alternative für einen breiten Industriezweig mit einer massiven Zulieferindustrie aufgebaut.
Die globale Autoindustrie hat bisher nie gezeigt, dass sie sich der strategischen Bedeutung der Rohstoffversorgung bewusst ist, stets hatte sie auf Grund ihrer großen Nachfrage sämtliche Produkte günstig einkaufen können. Nun wird sich nach einhelliger Meinung aller Analysten dieses Verhalten nicht mehr durchhalten lassen, zu begrenzt sind die internationalen Ressourcen in diesem Bereich. An der Entwicklung der Solarindustrie, die jahrelang vom Siliziummangel geplagt war, kann man ablesen, was mit Unternehmen und ihren Lenkern passiert, wenn ein solches Rohstoff-Nadelöhr nicht erkannt oder vernachlässigt wird.
China besitzt eine lange historische Beziehung zu Süd- und Lateinamerika und hat diese Beziehungen vor dem Hintergrund der Tatsache, dass auf diesem Kontinent 75% der Welt-Lithiumreserven zu finden sind, deutlich mit strategischen Joint-Ventures ausgebaut. Lithium, über das schon in der SONNENENERGIE mehrfach berichtet wurde, hat strategisches Potenzial für den elektrischen Mobilitätssektor und kann als Rohstoff einmal Öl ablösen. Ist China in Südamerika gut aufgestellt, ist auch der Weltmarkt gesichert, da die anderen Lithiumreserven der Welt in Tibet liegen, das ebenfalls unter chinesischer Kontrolle steht.
Seltene Erdmetalle – Herz der Hightech-Industrie
Die saubere, grüne und Hightech-Industrie boomt weltweit. Gerade dieser Sektor ist jedoch extrem abhängig von vielen seltenen Erdmetallen. China produziert bereits 95% dieser seltenen Erdmetalle und hat bereits eine restriktive Exportpolitik angekündigt, dass sich der Export dieser Rohstoffe in wenigen Jahren auf Null belaufen könnte. Dies bedeutet, dass derartige Rohstoffe das Land nur in Produktform verlassen würden oder in anderen Worten, es gäbe ein de-facto-Monopol auf die Herstellung von Produkten aus diesen Materialien für China. Für andere Materialien, die von dieser Politik nur indirekt betroffen sind, würde es sicher eine massive Preiserhöhung bedeuten. Viele der Markenhersteller, die diese Waren bisher als Original Equipment Manufacturing (OEM) beziehen und dafür lediglich ihr Firmenlogo auf das fertige Produkt aufbringen lassen, müssen sich bald mit der Frage auseinandersetzen, ob nicht das alte Gesetz, das Nachfrage hohe Produktionskapazitäten und billige Preise erzeugt, seine Gültigkeit verlieren könnte.
Auf dem G8 Gipfel in Italien wurde deshalb bereits ein wenig die Zeitenwende in der Rohstoffpolitik eingefädelt. US-Präsident Barack Obama forderte dringend die Einbindung von China, Indien und Brasilien in die Gespräche, um solche Themen wie Rohstoffe besser adressieren zu können.
Infrastruktur gegen Rohstoff – Entwicklungshilfe mit Eigennutz
Angola ist eines der ärmsten Länder der Erde, das afrikanische Land plagt ein hoher Schuldenberg bei westlichen Gläubigern. Dies hat China jedoch nicht davon abgehalten, massive Geschäfte von zwei Milliarden Dollar mit dem Land abzuschließen. Gemäß des gemeinsamen Vertrages bauen chinesische Unternehmen die Infrastruktur wie Straßen. Das Ganze ist bargeldlos besichert, Angola zahlt den Kredit direkt mit Kupfer zurück, es fließt kein Geld. So können die internationalen Kreditverhandlungen elegant umschifft werden. Leistung gegen Rohstoff ist eine Form des Tauschhandels, den die westliche Welt bisher in dieser Form niemals umgesetzt hatte.
Verliert der Weltmarktpreis seine Bedeutung?
Angesichts Chinas Politik, immer stärker auf Koppelgeschäfte zur Sicherung von Rohstoffvorkommen für die eigene Wirtschaft zu setzen, stellt sich zumindest langfristig die Frage, ob sich dieses in vielen Bereichen nicht auch auf die internationale Preisfindung auswirkt. Wenn nur noch ein Bruchteil der Waren überhaupt auf dem Weltmarkt gehandelt wird, der Löwenanteil jedoch in bilateralen Verträgen oder über Exportbeschränkungen reguliert wird, ist eine hohe Spekulationsanfälligkeit des Marktes bzw. Preissteigerungen, die zu weiteren Wirtschaftskrisen führen, unausweichlich.
China Unternehmen als strategische Investoren
Im Rohstoffbereich macht China jedoch nicht nur direkte Geschäfte mit Lieferanten. Als bereits größter Konsument, hat sich China auch in den letzten Jahren als größter Abnehmer und Einlagerer von Rohstoffen erwiesen. Es wurde durch die chinesische Regierung ein Klima erzeugt, in dem Staatsunternehmen, wie private Firmen sich Rohstoffe sichern sollen. Die China Investment Cooperation (CIC), der staatliche Vermögensfonds, hat sich auf diese Weise 17% der kanadischen Teck Cominco gesichert, die mit 13 Minen als weltführender Konzern auf dem Gebiet der Erzeugung von Kupfer, Molybdän, Zink, metallurgischer Kohle und Spezialmetallen gilt.
Kupfer ist jedoch nicht das einzige Metall, auf das China über einen direkten Rohstoffzugang und strategischer finanzieller Beteiligungen an Minengesellschaften die Kontrolle erringen möchte. So hat kürzlich die China Non-Ferrous Metals Mining (Group) Co., Ltd. (CNMC) sich eine Kontrollmehrheit in dem australischen Seltenerdmetall-Projektentwickler Lynas Corporation Ltd. (Lynas) gesichert. 366 Millionen US Dollar wurden für eine Kombination aus Eigenkapital, Krediten und Kreditbürgschaften ausgegeben, die in dieser Komplexität nicht von klassischen Investoren angeboten werden können.
Interessanterweise ist CNMC nicht der einzige strategische Investor in seltene Erdmetall-Unternehmen mit Regierungshintergrund. Auch die Jiangsu Eastern China Non-Ferrous Metals Investment Holding Co. Ltd. (JIH), eine Untereinheit des Ostchinesischen Explorations und Entwicklungsbüros hat sich für 24 Millionen US Dollar 25% von Arafura Resource Ltd., einem Unternehmen, dass Gold, Phosphat und seltene Erdmetalle abbaut, gesichert.
Exportkontrolle als Schritt der Marktkontrolle
Generell, das zeigt sich auch auf dem Gebiet der strategischen Investoren, ist die chinesische Regierung mit strategischem Elan am Werke, die Metalle und Rohstoffe der Zukunft unter ihre Kontrolle zu bringen. Gelingt es China hierbei als weltgrößter Konsument dieser Metalle auch die Angebotsseite vollständig zu kontrollieren, wird dies sicher massive Auswirkungen auf die globalen Preise von Produkten haben oder einige Hersteller auch von der Rohstoff-Lieferung abgeschnitten werden.
Die Europäische Kommission hat schon vor Jahren angemerkt, dass China eine Strategie der Exportkontrollen durch Quoten und Exportzölle aufgebaut hat, die die Rolle als strategischer Produzent und Exporteur von speziellen Rohstoffen massiv befördert. Die Kommission stuft demnach solche Einschränkungen als eine Störung der internationalen Preisfindung ein, die zu höheren Preisen führt und Handelspartner benachteiligt, weil diese Rohstoffe leider nicht anderswo zu beschaffen sind. Mit dieser klaren Einschätzung belässt es die EU jedoch, Aktionen oder politische Vorstöße sind nicht zu erwarten. Bisher hat sich diese Politik auf die Rohstoffe Koks, Bauxit, Flour, Magnesium, Mangan, metallurgisches Silizium, gelber Phosphor und Zink beschränkt, es gibt jedoch einen Vorgeschmack was passieren kann, wenn andere knappe Rohstoffe in einen solchen politischen Marktmechanismus geraten.
Klar ist, dass China im kommenden Jahrhundert wesentlich mehr politische und wirtschaftliche Bedeutung erlangen wird. Dieses strategisch abzusichern, ist ein Ansatz der chinesischen Regierung, der ganzheitlich auf allen Ebenen, besonders auf der wirtschaftlichen, verfolgt wird. Wenn sich die westliche Welt nicht auf diese Gegebenheiten einstellt, wird es in wenigen Jahren zu politisch motivierten Engpässen in Märkten kommen, die auch die Energieversorgung der Zukunft wie die Solarenergie betreffen.
Kurz nach der SONNENENERGIE beschäftigt sich auch das Handelsblatt mit dieser Thematik (Link)
Dr. Jan Kai Dobelmann