Balkonkraftwerke fachgerecht montieren:
Steckersolargeräte und Do-It-Yourself: Wie passt das zusammen? Die Montage ist meist die größte Hürde beim Einsatz von Steckersolargeräten. Diese Artikel beschäftigt sich mit der Installation an Balkonen, weshalb darin diese Art von Mini-Photovoltaikanlagen auch durchgehend als Balkonkraftwerke bezeichnet werden.
Plug & Play?
Zwar verspricht die Werbung: auspacken, aufhängen, anschließen und los geht‘s. Das stimmt aber nur eingeschränkt. Module und Wechselrichter sind technisch ausgereift, und auch die Frage nach dem Anschluss ist mittlerweile eindeutig beantwortet. Höchste Stellen fordern die offizielle Freigabe des Schukosteckers im VDE-Regelwerk, der „Wieland-Stecker“ ist damit praktisch schon Geschichte. Doch bei der Montage beginnen die Probleme. Jedes Balkongeländer ist anders, und die Systeme sind unterschiedlich gut dafür geeignet. Bereits eine vorstehende Strebe kann bewirken, dass ein an sich gutes System gar nicht eingesetzt werden kann oder angepasst werden muss, damit eine technisch gleichwertige Lösung geschaffen wird. Das stellt für viele Menschen ein großes Hindernis dar.
Normen und Standsicherheitsnachweis
Schlimmstenfalls unterbleibt die Anpassung. In einem besonders krassen Fall wurden zwei Module am Balkongeländer lediglich eingehängt, aber nirgendwo gesichert. Eine Dachrinne war im Weg, so dass der untere Teil der Verankerung nicht wie vorgesehen montiert werden konnte - und einfach weggelassen wurde. So liegt das Montagesystem jetzt bloß auf der Dachrinne auf. Nicht ausgeschlossen, dass der nächste Sturm die unten weit herausragenden Module erfasst und abhebt. Ohne allzu pessimistisch zu sein, scheint es bei der großen Zahl der mittlerweile montierten Balkonkraftwerke nur als eine Frage der Zeit zu sein, bis ein Unfall passiert.
Ein fast zwei Quadratmeter großes Solarmodul wirkt wie ein Segel. Werden zwei Stück davon vor ein Balkongeländer mit Gitterstreben gehängt, verändert das genau genommen schon die Statik des Balkons. Wo der Wind vorher zwischen den Streben hindurchblasen konnte, werden jetzt Windkräfte ins Balkongeländer eingeleitet. Auch die teils extreme Ausständerung des Moduls für einen besseren Ertrag ist durchaus problematisch: Jetzt kann der Wind so richtig gut anpacken und an den Modulen reißen. Montageanleitungen lassen den Kunden jedoch oft ratlos zurück. In einer steht etwa: „Die Auslegung des Montagesystems (...) ist projektbezogen entsprechend den vorgegebenen Normen (DIN EN 1991-1-3 und DIN EN 1991-1-4:2010-12, Einwirkung auf Tragwerke - Allgemeine Einwirkungen - Schneelasten und Windlasten) durchzuführen. Wie macht der Endkunde das bloß?
Bei größeren PV-Projekten wird dafür ein ziemlich großer Aufwand getrieben. Nachdem ein Statiker geprüft hat, ob das Dach die Photovoltaikanlage tragen kann, füttert der Solarteur eine Software mit Standort, Ausrichtung, Neigung, Gebäudehöhe und vielen weiteren Daten. Das ist meist die Software eines Herstellers von Unterkonstruktionen. Die gibt einen detaillierten Montage- und (bei Flachdachanlagen) einen Ballastierungsplan aus, der individuell auf das Projekt zugeschnitten ist und Wind- sowie Schneelasten berücksichtigt. Das ist der Standsicherheitsnachweis. Bei großen Projekten steht dieser Aufwand auch im Verhältnis zu den Baukosten, beim Balkonkraftwerk möchte das niemand zahlen. Abgesehen davon ist die gängige Software für Dachanlagen ausgelegt, nicht für Balkone.
Vorsicht vor Billigangeboten
Ein Solarmodul ans Balkongeländer zu hängen, ist tatsächlich eine vergleichsweise neue Idee. Deshalb gibt es wohl auch nur wenige wirklich gute Montagesysteme. Viele Angebote auf Amazon und Ebay sollten skeptisch gemustert werden. Diese bestehen oftmals nur aus gelochten Winkelprofilen mit eventuell einem Haken daran. Oft lastet das Gewicht komplett auf wenigen Schrauben, Verwindungskräfte werden direkt in den Modulrahmen eingeleitet. Auf keinen Fall sollten hier Kompromisse eingegangen werden, um etwa 20 Euro zu sparen. Auf die geplante Lebensdauer von 20 Jahren hochgerechnet wäre das auch nur ein Euro pro Jahr. Das sollte es jedem wert sein, um dafür in Sturmnächten besser schlafen zu können.
Schon ein Blick in die Anleitung verrät sehr viel über ein Montagesystem. Sie sollte vorab online verfügbar sein. Es ist schon verwunderlich, was darin so alles zu lesen ist. In der Anleitung zu einem „Montagepaket Balkon 90°“ steht allen Ernstes: „Die Dachneigung sollte < 45° betragen.“ In einer anderen Anleitung wird ein Drehmomentschlüssel als benötigtes Werkzeug aufgeführt. Dort heiß es: „Während des Anzugsvorgangs muss die Kraft gleichmäßig sein, und das Anzugsdrehmoment sollte den angegebenen sicheren Drehmomentwert nicht überschreiten.“ Das ist grundsätzlich richtig. Das Drehmoment gibt an, wie stark die Schraube angezogen werden muss und darf, damit sie einerseits fest genug sitzt, andererseits aber nicht überdreht und beschädigt wird. Das Problem ist bloß: Nirgendwo in dieser Anleitung ist ein solcher Drehmomentwert zu finden. Ein Drehmomentschlüssel als Montagewerkzeug wird damit wertlos.
Der Solar-Hook
Ein positives Beispiel ist die Anleitung des Solar-Hooks. Bei diesem System aus Freiburg werden drei Edelstahlhaken am Modulrahmen verklemmt und verschraubt und im Handlauf des Balkons eingehängt. Im unteren Teil wird eine Querschiene am Balkongeländer befestigt und das Modul mit zwei Endklemmen daran fixiert. Die Anleitung gibt das erforderliche Drehmoment für jede einzelne Schraubverbindung an. Voraussetzung ist natürlich, dass Kunden einen Drehmomentschlüssel zur Hand haben und benutzen können. Das ist ein weiterer Grund dafür, dass die Balkonmontage meiner Meinung nach zu den fortgeschrittenen Do-It-Yourself-Projekten gehört.
Anders als die anderen geläufigen Montagesysteme, ist der Solar-Hook statisch bis zu einer Höhe von sieben Metern über Grund gerechnet. Das System sitzt extrem fest, das Modul hat nicht das geringste Spiel. Das einzige Problem ist, dass der mittlere der drei Haken nicht wie vorgesehen mit der kurzen Schraube am Modulrahmen fixiert werden kann, denn dort befindet sich kein Montageloch im Rahmen. Zwar ließe sich so ein Loch leicht selbst bohren, wenn ein Holzstück untergelegt wird, um das Modulglas zu schützen. Doch dann würde streng genommen die Garantie des Solarmoduls erlöschen. Ob der Modulhersteller im Ernstfall tatsächlich die Garantie wegen eines Bohrlochs verweigert, wenn das eigentliche Problem für die Minderleistung ganz woanders liegt, ist natürlich offen. Eine offizielle Freigabe, ein weiteres Loch in den Rahmen zu bohren, ist jedoch auch nicht ohne Weiteres vom Hersteller zu bekommen.
Kritiker des Solar-Hooks sehen die Modulaufhängung am Rahmen skeptisch. Eine konsequente Weiterentwicklung wäre ein Einlegesystem, bei dem das Modul in einen Rahmen eingesetzt wird, der alle Kräfte aufnimmt. Auch würde das Modul dann von Spannungen aufgrund thermischer Ausdehnung entlastet. Mehrere Hersteller bieten inzwischen solche Einlegesysteme für Dachanlagen an, für Balkonanlagen könnten sie abgewandelt werden. Montagefertige Halterungen gibt es dafür aber leider noch nicht. Womöglich führt eine anhaltend hohe Nachfrage aber zu neuen Angeboten.
Rechtliches
Ebenfalls in den Bedienungsanleitungen ist zu beobachten, wie Hersteller mit der Haftungsfrage umgehen. In der Regel versuchen sie, die Verantwortung für die Montage soweit es geht auf die Kund:innen abzuwälzen. In einem besonders krassen Fall ist zu lesen: „Das verkaufte Produkt ist ein Bausatz, welcher vom Kunden montiert und installiert werden muss. Somit ist eine Haftung grundsätzlich ausgeschlossen.“ Ob ein so weitreichender Haftungsausschluss vor Gericht Bestand hätte, ist natürlich eine andere Frage. Vertrauen erweckt er aber genauso wenig wie schlecht übersetzte Anleitungen in radebrechendem Deutsch mit dutzenden Rechtschreibfehlern.
Über die rechtlichen Voraussetzungen einer Balkonmontage schweigen sich die meisten Hersteller aus oder liefern sogar veraltete oder falsche Informationen. Auf manchen Websites wird noch auf die Bauregelliste Bezug genommen, doch die ist seit vielen Jahren abgeschafft und ersetzt worden durch die Musterverwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV BT). Die MVV BT ist ein einschüchterndes Dokument von 348 Seiten. Sie wird von der Ministerkonferenz der Bundesländer erarbeitet. Trotzdem lassen es sich die Länder nicht nehmen, ihre jeweils eigenen Vorschriften zu erlassen - als wäre es ein Unterschied, ob ein Solarmodul in Berlin oder in Bayern montiert wird. Sogar die Kommunen könnten noch eigene Bauvorschriften oben draufsetzen. Aber in weiten Teilen sind die Bestimmungen dann doch identisch.
MVV TB und abZ
In der MVV TB steht alles, was Sie schon immer wissen wollten über vertikale Stoßfugen in Brandwänden, die Tragfähigkeit gekuppelter Pfähle oder Horizontallasten für Hubschrauberlandeplätze auf Dachdecken. In Abschnitt B.3.2.1 geht es um „Photovoltaische Module“. Wenn die nicht auf dem Dach montiert werden oder in einer abgezäunten Freiflächenanlage, dann sind je nach Einbausituation die Bestimmungen von Abschnitt A.1.2.7 über Glaskonstruktionen zu erfüllen. An der genannten Textstelle findet sich wieder ein Verweis, diesmal auf die DIN-Norm 18008-2:2020-05 (Glas im Bauwesen, Teil 2: Linienförmig gelagerte Verglasungen). Es ist wie bei einer Schnitzeljagd. DIN-Normen sind leider nicht online für jeden zugänglich (ein Unding), deshalb muss man in einen Normen-Infopoint wie etwa an der Fachhochschule Frankfurt fahren. Um Ihnen den Weg zu ersparen: Die genannte DIN-Norm besagt, dass gewöhnliche Solarmodule über Verkehrsflächen nur bis zu einer Höhe von vier Metern verwendet werden dürfen. Dabei zählt die Oberkante des Moduls, und es ist unerheblich, ob die Verkehrsfläche öffentlich zugänglich ist oder nicht. Auch Nachbars Terrasse gilt also als Verkehrsfläche.
Vier Meter an der Oberkante, das geht gerade noch im 1. Stock. Höher montiert, muss das Solarmodul speziellen Anforderungen genügen. Man spricht von Vertikalverglasung, wenn die Neigung 80 bis 90 Grad beträgt, ansonsten von Horizontal- oder Überkopfverglasung. Diese Anforderungen erfüllen Glas-Glas-Module mit einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ). Eine abZ vergibt das Deutsche Institut für Bautechnik nach einer Prüfung. In der geht es unter anderem darum, dass auch beschädigte Module noch eine gewisse Resttragfähigkeit gewährleisten müssen. Bei Glasbruch dürfen schließlich keine großen Splitter herabfallen.
Ob diese Vorschrift sinnvoll ist und nicht auch gewöhnliche Glas-Folie-Module den gleichen Schutz bieten, ist eine andere Frage, die hier aber nicht abschließend beantwortet werden kann. Offenbar ist man in Deutschland gründlicher als in anderen Ländern. Das Zulassungsverfahren ist für die Hersteller langwierig und teuer, und so sind auch Module mit abZ wie das neue Panel Vision H 3.0 Construct von Solarwatt selten zu finden und deutlich teurer. Die Praxis zeigt, dass sich die meisten Händler und Kunden wenig um diese Regeln scheren. Trotzdem kann man sie nicht ignorieren. Ein möglicher Ausweg sind glaslose Kunststoffmodule. Für sie gilt die 4-Meter-Regel nämlich nicht.
Nach der Modul-Montage
Die Montage ist aber nicht beendet, sobald die Module hängen. Der Wechselrichter braucht ein schattiges und gut belüftetes Plätzchen. Das findet sich oft unter dem Modul. Die Geräte und Anschlussstecker sind zwar gut abgedichtet und mindestens spritzwassergeschützt, aber sie müssen ja nicht, um das Schicksal herauszufordern, immer im Regen hängen. Auf keinen Fall aber dürfen Kabel und Stecker in wasserführenden Schichten liegen, also auf dem Boden oder Dach. Zum Hochbinden geeignet sind nur UV-stabile Kabelbinder für den Außenbereich.
Auch für die Leitung selbst ist ein UV-Schutz etwa durch ein Schlitzrohr unbedingt anzuraten, zumindest dort, wo die Leitungen in der prallen Sonne geführt oder mechanisch beansprucht werden. Leitungen dürfen nicht unter Zug stehen oder über scharfe Kanten verlaufen. Als Faustformel für den Biegeradius gilt, dass dieser mindestens dem Fünffachen Kabeldurchmesser entsprechen sollte. Bei vergleichsweise steifen Solarkabeln ist mehr anzusetzen.
Netzkabel ohne Stecker
Die Steckerfrage ist inzwischen ja grundsätzlich geklärt, wie eingangs beschrieben. Sicher betreiben lässt sich ein Balkonkraftwerk mit Schukostecker aber nur, wenn der Wechselrichter schnell und einfehlersicher abschaltet, sobald er den Netzkontakt verloren hat. Wie die aktuelle Debatte über Geräte ohne verbautes Trennrelais zeigt, hat es etwa der chinesische Hersteller Deye mit den Sicherheitsvorgaben jedoch nicht allzu genau genommen und das notwendige Bauteil einfach weggelassen. Die heftige Diskussion darüber, einschließlich einem Einbruch des Aktienkurses, hat auch ihr Gutes: Sie schärft den Blick für Risiken und Sicherheitsmerkmale von Balkonkraftwerken.
Leider verkaufen manche Anbieter immer noch Netzkabel ohne oder mit separat beiliegendem Anschlussstecker. Den sollen die Kunden sich dann selbst ans Kabel basteln. Das ist fahrlässig. Nur wenige Kunden haben das nötige Werkzeug zum Abmanteln, Abisolieren und Crimpen. Vor allem verfügen sie nicht über die Qualifikation, die Anschlussleitung selbst zu konfektionieren, die Niederohmigkeit des Schutzleiters und den Isolationswiderstand zu prüfen. Der Solar-Selbstbau ist eine prima Sache, aber ein Massenprodukt wie ein Balkonkraftwerk muss anderen Anforderungen genügen.
Buchtipp
Der Autor Stefan Tomik vertreibt und montiert mit seiner Firma Hauptsache Grün Balkonkraftwer-ke im Rhein-Main-Gebiet. Sein Buch „Balkonkraftwerk“ ist ein Spiegel-Bestseller: www.ulmer.de/usd-7265413/balkonkraftwerk-.html
Stefan Tomik