United we stand, divided we fall
Epilog: Es besteht weitestgehend darüber Einigkeit, dass es weltweit großer Anstrengungen bedarf, um uns alle vor einer großen Katastrophe zu bewahren. Klimaskeptizismus ist mittlerweile weniger verbreitet, die Profiteure der Zerstörung von Lebensräumen konzentrieren sich schon länger auf andere Ebenen. Auf ihrer Klaviatur spielen sie daher neben dramatischen Weltuntergangssymphonien auch immer häufiger das gute alte Klagelied von der Ungerechtigkeit. Ein von den Komponisten immer gern aufgegriffenes Thema ist dabei der Neid und die Missgunst, die DJs der Apokalypse lassen dabei keine Klischees aus. Gerade die Charts rauf und runter: Das Framing und Blaming.
Erstmal die anderen
Seit Jahren besteht eine öffentliche Diskussion über ein Restbudget für Treibhausgas-Emissionen, das sich aus den Klimazielen des Übereinkommens von Paris ableitet und der Bewertung von Emissionsreduktionspfaden dient. Auch wenn sich selbst die Bundesregierung jahrelang schwertat, ein solches Budget festzulegen, in Frage gestellt wurde es nicht. Denn das ist schließlich eine der wichtigsten Erkenntnisse in der Klimawissenschaft des letzten Jahrzehnts: Die Erderwärmung ist von der Gesamtmenge an Treibhausgasen abhängig, die bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgestoßen werden. Die andere Einsicht: Alle müssen mitmachen und die Reduktionen müssen fair verteilt werden. Der zweite Aspekt ist jedoch der schwierigere und wesentlich leichter zu manipulierende.
Sich ein eigenes Narrativ zu erstellen ist dabei sehr hilfreich. Slogans gibt es genügend: America First, am deutschen Wesen soll die Welt genesen, unleash Britain‘s Potential. Es geht immer darum, Menschen einzureden, dass Einzelne (Nationen) mehr tun, während sich andere auf deren Kosten ausruhen. Schnell entsteht dabei der Mythos, dass es wenig sinnvoll ist, sich derart zu engagieren, wenn andere es nicht tun. Wir allein können die Welt schließlich nicht retten. China baut munter Kohlekraftwerke, Amerika forciert das Fracking, wir exportieren dreckigen Strom nach Frankreich, die Liste ließe sich beliebig fortführen. Das alles schadet unserer Wirtschaft, unserem Wohlstand, das haben wir jetzt davon, dass wir so fleißig Umweltschutz betrieben haben.
Budget und Schulden
Leider zu wenig transportiert wurde ein wesentlicher Aspekt, der in den Klimaschutzabkommen und internationalen Vereinbarungen steckt: Die Summe des bereits emittierten Kohlenstoffs. Stets wird überwiegend über die zweifellos sehr wichtigen Reduktionsziele gesprochen. Die sind zwar immer noch nicht ambitioniert genug. Ganz abgesehen davon, dass Ziele, siehe Neujahrsvorsätze, nur die halbe Wahrheit sind.
Denn es gibt, der Begriff trifft es sehr gut, historische Klimaschulden. Wissenschaftlicher ausgedrückt: Die kumulierten CO2-Emissionen weltweit sind bekannt und da ist Deutschland ganz vorne mit dabei. Auch wenn wir den USA hier den Rang nicht ablaufen können, so ist Europa in diesem Ranking immer noch vor China. Und blickt man noch ein wenig weiter zurück (1751 bis 2020) und betrachtet die Emissionen pro Kopf, dann vermitteln uns die Zahlen eine unbequeme Wahrheit. Deutschland ist die Nation mit den drittmeisten kumulativen Emissionen weltweit. Dagegen haben die Regionen Afrika, China, Indien, Südamerika und Asien allgemein einen nur verschwindenden Anteil an Klimaschulden aufgenommen. Warum das so ist, hat auch viel mit den unterschiedlichen Entwicklungen zu tun und diese haben bisweilen zu einschneidenden Veränderungen von Landnutzung und Waldflächen geführt. In allen Berechnungen des Weltklimarats und vielen Forschenden fließen meist nur Daten ein, die bis etwa ins Jahr 1900 reichen. Dieser Bezugspunkt wird gewählt, da er der am weitesten zurückliegende Zeitraum ist, für den zuverlässige Messungen der globalen Oberflächentemperaturen vorliegen. Aber bereits vorher ist schon viel passiert, auch vieles, von dem wir als reicher Norden heute noch sehr profitieren.
Werkbankemissionen
Natürlich ist es unbestritten, dass China heute wohl der weltweit größte CO2-Emittent ist. Aber was sagt uns das eigentlich genau? Schließlich ist es das, nur knapp hinter Indien liegend, zweitbevölkerungsreichste Land der Erde. Der recht hohe Emissionsausstoß ist daher nicht überraschend. Ein systemischer Fehler, wenn man es so nennen mag, ist zusätzlich noch in diesen Statistiken enthalten: Die Emissionen werden demjenigen Land zugeordnet, in welchem sie erzeugt werden. Das ist zwar nicht falsch, aber was ist mit unseren sogenannten verlängerten Werkbänken, die vor allem in Asien stehen? Wird ein von der deutschen Wirtschaft hergestelltes Produkt verkauft und im Land konsumiert, dann werden die damit einhergehenden Emissionen für die Produktion und auch für den Transport einem anderen Billiglohnland zugeschrieben. Die gerne geäußerte Rechtfertigung, dass Deutschland doch gerade mal für zwei Prozent der Emissionen verantwortlich ist, erscheint unter dem Aspekt, dass wir die dreckige Arbeit woanders machen lassen, in einem ganz anderen Licht. Das Konzept des CO2-Budgets, das festlegt, wie viel zusätzliches CO2 wir uns leisten können, ist daher im Grunde genommen reichlich ungerecht. Unser Klagen, wir machen mehr als andere und das nutze wenig, wenn woanders nicht so viel getan wird, ist schlichtweg scheinheilig.
Es geht um alles
Ein von uns beschleunigter Klimawandel birgt große Gefahren gesellschaftlicher Zusammenbrüche, weshalb es gerade heute umso wichtiger ist, einen gemeinsamen Weg zu finden. Steigen alle aus allem aus und verstricken sich in Kleinstaaterei und Protektionismus, besteht wenig Hoffnung, den Karren nochmal aus dem Dreck zu ziehen. Um die Angelsachsen zu zitieren: United we stand, divided we fall.
Und um in dem Sprachraum zu bleiben: Let’s do our very best!
Matthias Hüttmann