Mobilitec
Elektromobilität spielte 2010 auf der Hannovermesse eine wichtige Rolle. Vor allem auf dem gemeinschaftsstand des Bundesverbandes Solare Mobilität gab es interessante Neuheiten. Dass Elektromobilität sich stark im Aufwind befindet, kann man nicht nur an der spürbar zunehmenden Berichterstattung in den Medien erkennen. Auch die Zahl der Vortragsveranstaltungen, Fortbildungsreihen und Ausstellungen ist deutlich angestiegen. Elektroautos tauchen aber nicht nur auf den üblichen Automobilausstellungen von Detroit, Tokio, Shanghai, Frankfurt, Paris oder Genf auf. Zusehends entstehen auch neue Messen mit dem Schwerpunkt Elektromobilität.
Der Bundesverband Solare Mobilität (bsm) organisiert schon seit vielen Jahren Sonderausstellungen für mittelständische Hersteller von E-Fahrzeugen. Neben der Hauptmesse des bsm, der SolarMobility im Februar in Berlin, zeichnet sich für Süddeutschland seit 2009 mit der eCarTec in München ein weiterer Schwerpunkt ab. Als interessante Keimzelle in der Mitte Deutschlands hat sich die HannoverMesse herauskristallisiert. Schon lange trifft sich auf dieser Industriemesse die Branche der Erneuerbaren Energien. Von den drei Hallen zum Thema Energie werden bereits rund 30% durch die neuen Energietechnologien in Anspruch genommen.
Die MobiliTec in Hannover
Da Elektromobilität sehr stark mit den Erneuerbaren Energien zusammenhängt und auch die Bauteile der Fahrzeuge mehr der Industrie- und Elektrotechnik entspringen als dem klassischen Autobau, liegt es nahe, beide Themen gemeinsam zu präsentieren.
Die Leitmesse MobiliTec wurde direkt von der Deutschen Messe in Hannover ins Leben gerufen und hat als ideelle Träger die Forschungsvereinigung Antriebstechnik (FVA) und den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbauer (VDMA). Offiziell wurde die MobiliTec in diesem Jahr zusätzlich vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und dem Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) unterstützt.
Mehr als 260 Einträge findet man in der Ausstellerliste der MobiliTec. Jedoch waren nicht alle in der Haupthalle 27 anzutreffen. Viele zeigten ihre Lösungen für die Elektromobilität an ihren jeweiligen Hauptständen in den anderen Hallen. An allen fünf Messetagen wurde in der Haupthalle auch ein Anwenderforum abgehalten, beim dem in einer Vielzahl von Vorträgen die unterschiedlichsten Aspekte der Elektromobilität den Zuhörern erläutert wurden. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) hat in diesem Zusammenhang erneut das Konzept eines Smart Grid Vehicles und die Grundlagen der Netzintegration von Elektrofahrzeugen detailliert vorgestellt.
bsm Sonderschau
Federführend für die Organisation der Beiträge aus dem Bereich der Erneuerbaren Energiebranche war der Bundesverband Solare Mobilität (bsm), der selber schon öfter in Hannover zu Gast war und dessen Sonderschau in diesem Jahr zu einem der Hauptbestandteile der MobiliTec zählte.
Auf über 750 Quadratmetern waren vor allem die zwei-, drei- und vierrädrigen E-Mobile der kleinen mittelständischen Unternehmen zu sehen. In Summe waren es 18 Elektroautos, meist kleine Leichtmobile, und über 20 Elektrozweiräder. Die meisten Fahrzeuge konnte man nach Anmeldung auch auf dem Messegelände bzw. auf einem Testparcour in der Halle probefahren. Davon ausgenommen waren die reinen Hingucker: Tesla Roadster, Jetcar E und der englische Edelsportwagen Lightning GT, mit seinen vier Radnabenmotoren.
Ein Besonderheit der diesjährigen Sonderschau war der Umbau eines normalen Smart zu einem Elektroauto. Live vor den Augen der Messebesucher haben die Mitarbeiter der Bochumer Umrüsterfirma BEA-tricks gezeigt, wie einfach das geht.
Außerdem hatte der bsm gemeinsam mit dem Fachverband E-Mobilität (FVEM) eine umfangreiche Ausstellung von elektrischer Ladeinfrastruktur zusammengestellt. Etwa zehn Ladesäulen standen hier zum Ausprobieren und Anfassen bereit.
TW4XP ist im Rennen
Nur am ersten Messetag zu bestaunen war der neue TW4XP. Die Abkürzung steht für „ThreeWheeler fo(u)r X-PRIZE“ und ist die Projektbezeichnung eines vollständig neu entwickelten, dreirädrigen Elektrofahrzeuges (siehe Bild 3). Der TW4XP ist das einzige deutsche Fahrzeug, dass am diesjährigen Automotive X-PRIZE Rennen in den USA starten wird.
Der Automotive X-PRIZE wurde von der Versicherungsgesellschaft Progressive Insurance ins Leben gerufen, um einen Anreiz für die Entwicklung von hoch effizienten Fahrzeugen zu geben. Der vorgegebene Verbrauchsgrenzwert liegt bei maximal 2,35 Liter Benzinäquivalent je 100 Kilometer. Die Progressive Insurance legt auch viel Wert auf Sicherheit im Straßenverkehr. Damit die Sparmobile nicht zu schleichenden Verkehrshindernissen werden, gelten gewisse Mindestanforderungen an die Leistungsfähigkeit:
- 160 km Reichweite ohne Nachtanken
- von 0 auf 100 km/h in unter 12 sec.
- Höchstgeschwindigkeit > 130 km/h
Um zu verhindern, dass nur unbezahlbare Experimentalfahrzeuge an den Start rollen, fordert der X-PRIZE ausdrücklich auch den Nachweis, dass eine Serienproduktion von 10.000 Autos pro Jahr von den teilnehmenden Teams dargestellt werden kann.
Der TW4XP hat auf den ersten Blick viele Ähnlichkeiten mit dem schon seit Jahrzehnten bekannten Elektromobil namens „Twike“. Auch viele der führenden Köpfe hinter dem TW4XP stammen aus dem Twike-Umfeld. Dennoch ist der TW4XP eine vollständige Neuentwicklung der neu gegründeten E-mobile Motors GmbH. Diese hat eine Vielzahl von Partnern mit in das Boot geholt, darunter Firmen wie Lust LTi, EDAG, Continental, Oswald, Recaro, ZF Sachs, FAG, Hella als auch Forschungseinrichtungen wie etwa die Uni Kassel.
Der Automotive X-PRIZE ist mit einem Preisgeld von 10 Millionen Dollar ausgestattet. 41 Teams aus 10 unterschiedlichen Ländern wetteifern in drei Fahrzeugkategorien darum. Sollte das TW4XP-Team Ende 2010 in der Gruppe „Dreirad“ auf dem Siegertreppchen stehen, so winken immerhin 2,5 Millionen US-Dollar.
Aus der Sicht der Erneuerbaren Energien ist an diesem Fahrzeug vor allem hervorzuheben, dass es nur eine einzige, zentrale Leistungselektronik besitzt, mit der die elektrische Energie in alle Richtungen gewandelt und gelenkt werden kann: vom Stromnetz in den Akku (Laden), vom Akku in den E-Motor (Fahren), vom E-Motor zurück in den Akku (Bremsen bzw. Rekuperieren) und später sogar vom Akku wieder zurück in das Stromnetz (Netzrückspeisung). Das alles geht mit einer kompakten Leistungselektronik, die bisher nur für die Verstellung von Rotorblättern auf Windrädern verwendet wurde.
Noch interessanter wird die Geschichte, wenn man bedenkt, dass dieses kleine Dreirad nicht nur einphasig sondern auch dreiphasig mit dem Netz verbunden sein kann und das mit einer Ladeleistung von bis zu 20 kW. Hier eröffnen sich viele Möglichkeiten für die Netzintegration.
Der Stromos
Die Firma German E-Cars, ein Tochterunternehmen der mittelständischen Fräger Gruppe aus der Region nördlich von Kassel, lieferte das zweite Glanzlicht der MobiliTec. Bereits im Vorjahr hatte man den Benni gezeigt, ein hochwertiges Basisfahrzeug aus China, das in Kassel zum Elektroauto umgebaut wurde. Die Entwicklung der Antriebskomponenten hat Fräger, ein Unternehmen, das vorwiegend Getriebe für Verbrennungsautos herstellt, im eigenen Haus in knapp einem Jahr durchgezogen.
Um noch mehr Wertschöpfung nach Europa zu holen und die Ersatzteilversorgung zu vereinfachen, hat man im zweiten Schritt die Antriebstechnik in einen Suzuki Splash eingebaut. Dieses Fahrzeug hat so wie der Benni auch in der Elektroversion noch ein Schaltgetriebe. German E-Cars wird den „Splash“ in kleinen Stückzahlen offiziell unter dem eigenen Markennamen ab Mitte diesen Jahres auf den Markt bringen. In Anbetracht des Stückpreises von rund 40.000 Euro werden vorerst wohl nur die mit Fördergeldern ausgestatteten Modellregionen als Testfahrer Schlange stehen. Den Segen der DEKRA hat der Stromos bereits, für den Segen echter Endkunden muss der Preis jedoch noch weiter runter.
Spannend ist der Stromos für die Erneuerbaren aber vor allem deshalb, weil die nächste Version bereits Anfang 2011 geplant ist; dann ohne Gangschaltung und optional mit bidirektionaler Netzanbindung. Da können die großen Autohersteller wohl nur vor Neid erblassen, denn bei Daimler und Co. gilt schon eine Zeitschaltuhr als visionäre Funktionalität.
Ausblick
Wir werden über das TW4XP-Projekt, den Stromos als auch einige der auf der MobiliTec gezeigten Ladelösungen in späteren Ausgaben der SONNENENERGIE gesondert und detailliert berichten.
Tomi Engel