Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke
Zur geplanten Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke in Deutschland: Die Betreiber der Atomkraftwerke in Deutschland sind, wie wir wissen, Aktiengesellschaften. Oberstes Ziel der Vorstände und Geschäftsführer von Aktiengesellschaften ist es, Gewinne zu erzielen und diese zu maximieren (Kapitalismus 2.0). Alle anderen Ziele werden diesem untergeordnet. Die Nutzung von Gemeingütern wie Wasser, Boden und Luft wird hierbei als kostenfrei vorausgesetzt.
Vor diesem Hintergrund ist leicht zu verstehen, dass die Profite der vier AKW-Betreiber kontinuierlich sehr große Summen erreichen. So betrugen die Gewinne in den Jahren 2002 bis 2007 ca. 80 Milliarden Euro. Eon weist für das erste Halbjahr 2010 einen Gewinn von 6,1 Milliarden Euro aus. Diese Gewinne werden zu großen Teilen aus dem Betrieb der Atomkraftwerke gespeist.
Deshalb ist es kein Wunder, dass Johannes Theyssen, Vorstandsvorsitzender von Eon, im Tagesspiegel am 12. August diesen Jahres erklärte, er wolle für die Laufzeitverlängerung „bis zur Ziellinie im Interesse unseres Landes kämpfen“. Dieser Satz ist entlarvend, denn gemäß den beschriebenen Zusammenhängen gilt als oberstes Ziel vor allem die Profitmaximierung. Die Laufzeitverlängerung liegt somit allein im Interesse von Eon und nicht im Interesse der Bundesrepublik.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Geschichte der Atomkraftwerkstechnik in Deutschland: Mitte der 60er Jahre begannen die Planungen für eine neue Art von Atomkraftwerken, den so genannten schnellen Brüter. Wie der Name sagt, sollte er mehr spaltbares Material erbrüten als verbrauchen. Dazu wurde ein exotisches Kühlmittel, nämlich flüssiges Natrium, gebraucht. Im Laufe der Planung und des Baus stiegen die Kosten von 500 Millionen DM auf 7 Milliarden DM. Der schnelle Brüter in Kalkar ist mittlerweile eine Investitionsruine, er wurde 1985 fertig gestellt, ging aber nie in Betrieb. Die sicherheitstechnischen Bedenken der damaligen NRW-Landesregierung waren zu groß. Heute ist die Ruine ein Freizeitpark!
Das Atomkraftwerk Mühlheim-Kärlich wurde im Jahre 1986 für 7 Milliarden Euro fertig gestellt und absolvierte nach dem Probebetrieb gerade mal 100 Tage Regelbetrieb. Es musste 1988 abgeschaltet werden, da eine fehlerhafte Baugenehmigung vorlag (Erdbebengefährdung). Zurzeit läuft der Rückbau, der bis 2013 abgeschlossen sein soll. Dabei bleiben aber der Dampferzeuger und der Druckbehälter auf dem Gelände erhalten, da sie wegen der hohen Radioaktivität nicht rückgebaut werden können.
Eine weitere in den 60er und 70er Jahren verfolgte neue Technologie, der so genannte Kugelhaufen-Reaktor, führte ebenfalls nicht zum gewünschten Erfolg. Denn in der Versuchsanlage AVR in Jülich und dem kommerziellen Reaktor Hamm-Uentrop wurden beim Betrieb gravierende technische Probleme festgestellt (hohe Kontamination des Kühlmittels Helium, hoher Abrieb der Graphitkugeln, unvorhersehbares Fließverhalten der Kugeln im Reaktor). Der Reaktor in Hamm war aufgrund vieler Pannen nur 423 Volllasttage zwischen 1985 und 1989 in Betrieb, während der AVR in Jülich 21 Jahre Testbetrieb hinter sich hatte. Beide Reaktoren wurden unter Beton für mindestens 30 Jahre versiegelt. Die Versiegelung und andere Arbeiten am AVR kosten den Steuerzahler bis heute fast 200 Millionen Euro.
Zusammenfassend kann gesagt werden:
- Eine Laufzeitverlängerung dient allein den Interessen der AKW-Betreiber und hat mit Versorgungssicherheit nichts zu tun.
- Sie verursacht erhebliche zusätzliche Mengen an hoch radioaktiven abgebrannten Brennelementen.
- Das ungelöste Problem der Endlagerung wird verschärft, der Steuerzahler wird mit hohen unkalkulierbaren Zusatzkosten belastet.
- Sie behindert den weiteren notwendigen Ausbau der Erneuerbaren Energien.
Also: Biblis A sofort abschalten, Isar 1 und Biblis B im Jahr 2011 sowie Brunsbuettel, Unterweser und Philippsburg 1 im Jahr 2012. Das wäre konsequente und nachhaltige Energiepolitik.
Dr. Uwe Hartmann