Quo Vadis – Biogas im EEG?
Fortsetzung des Beitrages aus der SONNENENERGIE 2/2008: Wie bereits in der Sonnenenergie 2/2008 anlässlich der Diskussion um die Novellierung des EEG für das Jahr 2009 thematisiert, stellt sich die selbe Frage erneut. Die DGS hatte damals mehrere Vorschläge für die Verbesserung des EEG hinsichtlich Nachhaltigkeit, Effizienz und Ökologie gemacht. Einige dieser Vorschläge wurden vom Gesetzgeber aufgenommen und ganz oder teilweise im EEG umgesetzt. So wurde beispielsweise der KWK-Bonus erhöht, um den Anreiz zur Wärmeverwertung zu verbessern, oder mit dem Landschaftspflegebonus die erste Komponente in Richtung Naturschutz aufgenommen. Noch gibt es viele „Baustellen“ und Probleme im Bereich Biogas. Dieser Artikel möchte sowohl zur Diskussion anregen, als auch Lösungsvorschläge bieten. Der Schwerpunkt liegt dabei auf den Bereichen Naturschutz und Ökologie. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass die Akteure im Bereich Biogas selbst dafür sorgen werden, die ökonomische Komponente nicht zu kurz kommen zu lassen. Die DGS war schon immer auch Trendsetter bei den Erneuerbaren Energien und möchte dies auch bleiben. Insbesondere hinsichtlich der Fragen zu Ökologie und Nachhaltigkeit.
Problemfelder
Biogas wird mittlerweile unter Naturschützern und bei Lebensmittel produzierenden Bauern kontrovers diskutiert. Naturschützer befürchten, dass der Maisanbau Überhand nimmt, die letzten Feuchtwiesen umgepflügt und als Acker genutzt werden, und somit ganze Vogelarten verschwinden, weil die Intensität der Bewirtschaftung zunimmt. Lebensmittel produzierende Landwirte, wie Schweinemäster, Bullenmäster oder Milchviehhalter beschweren sich, weil Biogasbauern höhere Pachtpreise zahlen können und damit den herkömmlichen Bauern jede Entwicklungschance nehmen.
Maiswüsten befürchtet!
Mais ist die Pflanze mit der die größte Menge Biogas pro Hektar erzeugt werden kann. Das führt dazu, dass immer mehr Bauern Mais anbauen möchten. Die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die hohen Maisbestände wird oftmals beanstandet. Tatsächlich gibt es mittlerweile Maissorten für Biogasanlagen, die bis zu vier Meter hoch sind. Ein Radfahrer sieht dann natürlich nichts mehr von der Landschaft. Das Thema ist sehr emotionalisiert. Die Statistik sagt jedoch, dass in den 80iger Jahren des letzten Jahrhunderts für die Bullenmast mehr Silomais angebaut wurde als heute für die Biogasanlagen.
Eine Alternative zu Silomais wie die Ernte von Ganzpflanzensilage von Roggen und Gerste produziert das Problem, dass bodenbrütende Vögel von den Äckern verschwinden. Statt der Getreideernte mit dem Mähdrescher im Juli werden Gerste und Roggen schon im Mai gemäht, gehäckselt und einsiliert. Genau zu diesem Zeitpunkt brüten z.B. die Lerchen in den Feldern. Die erste Brut geht dadurch in jedem Fall verloren. Damit gibt es nicht mehr genügend Jungvögel, um den Bestand zu halten. In vielen Fällen kann gar keine Brut mehr stattfinden, weil die Lerchen nicht mehr landen können. Die Halme von Gerste und Roggen stehen heute viel dichter als noch vor 10 Jahren und geben keinen Platz für eine Vogellandung mehr her. Naturschützer machen aus diesem Grund seit kurzem Front gegen Biogas.
Intensivierung der Landnutzung
In jedem Fall ist festzustellen, dass die Intensivierung in der Landwirtschaft durch Biogas, aber auch durch andere Landwirtschaftsbereiche zunimmt. Bei der Flächenkonkurrenz und den daraus resultierenden höheren Pachtpreisen, muss der Bauer so viel wie möglich aus dem Boden herausholen. Bodenverdichtung, einseitige und enge Fruchtfolgen, Erosion wie auch der Umbruch von Grünland sind die Folgen.
Ein Biogasbauer müsste jedoch nicht in jedem Fall so handeln. Sein Verdienst, vorausgesetzt er hat ein schlüssiges Wärmekonzept, ist so gut, dass er nicht mit jedem Euro rechnen muss. Doch Gier frisst Hirn, heißt es bei den kurzfristig denkenden Investmentbankern. Dass sich die steigende Intensivierung über kurz oder lang wirtschaftlich negativ auswirkt, weil die Böden kaputt gehen, interessiert im Augenblick noch wenige.
Kleine, angepasste Biogasanlagen sind unwirtschaftlich
Das ursprüngliche Ziel der Biogasbewegung war es, Gülle und Abfälle zu verwerten und energetisch zu nutzen. Viele Biogaspioniere haben über Jahrzehnte den heutigen Weg bereitet. Mit dem EEG und den technischen Anforderungen ist der Landwirt und Investor jedoch gezwungen, die Biogasanlage möglichst groß zu bauen, um wirtschaftlich zu sein. Waren in den 90iger Jahren Biogasanlagen bis 75 kW elektrischer Leistung sehr groß, werden heute Biogasanlagen im Durchschnitt mit 400 kW elektrisch errichtet. Der Zwang zur Größe ist systemimmanent im EEG.
Grundwasser- und Bachverschmutzung durch Fahrsiloanlagen
Eine Statistik in einem niederbayerischen Landkreis weist für 2009 aus, dass 72 Biogasanlagen im Betrieb sind; davon steht bei mehr als der Hälfte ein Verfahren wegen Gewässerverschmutzung an. Ende 2010 werden 89 Biogasanlagen in diesem Landkreis in Betrieb sein. In anderen bayerischen Landkreisen sieht es ähnlich aus. Es ist zu vermuten, dass dies auch allgemein für Deutschland gilt. Bundesweite Zahlen liegen jedoch nicht vor. Der Grund der Gewässerverschmutzung sind meist die Fahrsilos. Viele Tausend Tonnen Silage werden gelagert, was zu Silosickersaft führt. Schüttet man beispielsweise nur einige Eimer Silosickersaft in einen Bach, so führt dies zum Tot aller dort lebenden Organismen, weil der Abbau der organischen Stoffe den Sauerstoff im Wasser aufzehrt. Die Lebewesen im Bach ersticken regelrecht.
Positives
Der Biogasboom führte dazu, dass die Überproduktion von Lebensmitteln in Deutschland reduziert ist. Dadurch werden weniger Lebensmittel mit hohen Subventionen exportiert. Das reduziert den Einfluss auf die Agrarmärkte in Afrika, und die Bauern dort haben es leichter gegen weniger Billigimporte.
Die Wertschöpfung, die aus dem Biogasstrom kommt, bleibt im Dorf. War bisher der ländliche Raum durch Kapitalabfluss geprägt, so kommt jetzt wieder Geld in die Dörfer – und damit Arbeitsplätze. Deshalb ist auch die Forderung nach einer höheren Einspeisevergütung für Kleinanlagen so wichtig. Die jungen Leute im Bayerischen Wald oder in der Lausitz haben wieder eine Jobperspektive. Sie bleiben dort, statt in die Ballungszentren oder nach Österreich zu gehen, um Arbeit zu suchen. Es ist absolut notwendig, dass es in der Region genügend Arbeitsplätze gibt.
Die Biogasindustrie ist erst 6 Jahre alt, ausgelöst wurde alles durch das EEG 2004. Dass es hierbei noch Fehler und Ungereimtheiten gibt, ist vollkommen klar. Unsere Aufgabe ist es, das EEG so zu verbessern, dass Ökologie und Nachhaltigkeit nicht ein Thema bei Eröffnungsfeiern und Politikeransprachen, sondern Teil des täglichen Betriebs auf der Biogasanlage ist.
Notwendige Änderungen im EEG – Forderungen der DGS
Die genannten Probleme wurden auch durch die Struktur des EEG verursacht und lassen sich nur durch eine Umgestaltung des EEG lösen
Förderung für Kleinanlagen
Kleinere Biogasanlagen bis zu 100 kW elektrisch sind aufgrund der sehr hohen Grundkosten einer Biogasanlage unwirtschaftlich. Diesem Umstand muss im EEG Rechnung getragen werden, wenn das politische Ziel ist, die Landwirtschaft regional und besonders in den Mittelgebirgsregionen zu erhalten. Im Bayerischen Wald, der Rhön oder in der Eifel stehen zudem nicht die Flächen für große Biogasanlagen zur Verfügung. Auch sind die Höfe relativ klein, sie können eine Großanlage nicht finanzieren. Deshalb sollte für kleine Biogasanlagen ein Stromtarif von 30–35 ct Euro eingeführt werden. Dann ist es rentabel, dass kleinere und mittlere Milchviehbetriebe eine Biogasanlage bauen. Es muss aber sicher gestellt werden, dass Großbiogasanlagen diesen hohen Preis nicht bekommen. In der bisherigen Regelung erhält eine Biogasanlage mit 500 kW für den Strom aus den ersten 150 kW auch die höchste Vergütung. Das ist ein Mitnahmeeffekt, der die großen Biogasanlagen gegenüber den Kleinen noch wettbewerbsfähiger macht.
Landschaftspflegebonus
Der Landschaftspflegebonus wurde im EEG 2009 eingeführt. Er ist die erste Naturschutzkomponente im EEG. Der Biogasbauer muss 50% seiner Biomasse aus der Landschaftspflege beziehen, dann erhält er als Bonus 2 ct/kWh für den erzeugten elektrischen Strom. Das summiert sich bei einer 500 kW Biogasanlage auf stolze 80.000 € pro Jahr auf. Leider können nur wenige Biogasanlagen den Landschaftspflegebonus in Anspruch nehmen, weil kaum eine Biogasanlage die 50%-Klausel erfüllen kann. So bleibt immer noch viel Biomasse aus der Landschaftspflege ungenutzt und verrottet auf der Wiese oder am Waldrand. Bei der Novellierung des EEG sollte die 50%-Grenze fallen und auf maximal 20% gesetzt werden. Dementsprechend sollte auch nur noch für 20% des Stromes der Bonus gezahlt werden. Das im Einzelfall zu regeln ist einfach, weil es Umweltgutacher gibt, die Biogasanlagen zertifizieren, welche bereits jetzt Landschaftspflegebonus, Güllebonus und KWK-Bonus erhalten. Höhere Anteile an Landschaftspflegematerial führen dementsprechend zu einer höheren Vergütung und damit zu einer höheren Naturschutzwirkung. Wünschenswert wäre es, dass Biobetriebe mit einer Biogasanlage den Landschaftspflegebonus bekommen. Dann könnte über das EEG eine naturschonende Landwirtschaft eingeführt werden. Die Zwischenfrüchte kommen in die Biogasanlage, Getreide und Fleisch auf den Teller.
Runter mit dem Nawaro-Bonus, rauf mit dem KWK-Bonus
Diese Forderung hat die DGS bereits im Jahr 2008 gestellt. Der KWK-Bonus wurde von 2 ct/kWh auf 3 ct/kWh erhöht. Gleichzeitig muss der Biogasbauer ein schlüssiges Wärmenutzungskonzept vorweisen. Bis 2008 haben die Biogasbauern die 2 ct/kWh erhalten, auch wenn sie damit Winter wie Sommer Maschinenhallen heizen. Dieser Missbrauch wurde abgestellt, und jetzt kontrolliert ein Umweltgutacher die Wärmenutzung. Das ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der nächste Schritt sollte sein, den KWK-Bonus zu erhöhen auf 4–5 ct/kWh und die Anforderungen an die Wärmenutzung weiter zu erhöhen. Es gibt jetzt die Lösung, dass Schweinegülle aus der Massentierhaltung mit Wärme aus der Biogasanlage getrocknet wird, damit sie kostengünstig weiter transportiert werden kann, z.B. von Niedersachsen nach Mecklenburg-Vorpommern oder Polen. Das hat mit KWK-Nutzung im Sinne von Nachhaltigkeit noch nichts zu tun. Es muss sichergestellt werden, dass nur die Biogasanlage den KWK-Bonus erhält, die nachweislich mit ihrem Wärmekonzept fossile Brennstoffe ersetzt.
Leider konnte sich die DGS mit der Forderung nach einer Kürzung des Nawaro-Bonus nicht durchsetzen. 2008 hatten die Politiker noch in Erinnerung, dass sich die Weltgetreidepreise aufgrund Lieferengpässen ausgelöst von Trockenheit in der Ukraine, Kanada und Australien verdoppelt hatten. Damit stiegen auch die Silomaispreise für die Biogasbauern und der Ruin derselben wurde befürchtet. Es kam ganz anders. Die Getreidepreise fielen wieder, weil – ausgelöst durch die Finanzkrise – der Erdölpreis zurückging und damit die Ethanolproduktion aus Körnermais in den USA unwirtschaftlich wurde. Der Körnermais war wieder auf dem Lebensmittelmarkt, die Preise für Mais fielen und somit auch für Silomais in Deutschland. Dadurch hatten die Biogasanlagen eine höhere Vergütung und den billigsten Silomais, was zu einem Gewinnsprung führte. Die Biogasanlagen wurden erweitert, neue wurden gebaut, die Flächenkonkurrenz zu anderen Biogasanlagen, zu Milchviehhaltern, Schweinemästern und Geflügelmästern wurde größer. Sogar Kartoffelfabriken für die Pommes Frites Herstellung beschwerten sich über die Konkurrenz durch die Biogasanlagen. Die Flächenknappheit führte zu einer Preisralley bei den Pachtflächen; von vormals 250 €/ha zahlt der Bauer jetzt bis zu 1.000 /ha. Ein Effekt des Nawaro-Bonus ist, dass die Flächenbesitzer und nicht die Bewirtschafter den finanziellen Rahm abschöpfen. So hatten sich Politiker und Lobbyisten das nicht vorgestellt. Deshalb sollte der Nawaro-Bonus bei der Novellierung des EEG 2012 gesenkt werden. Ob 1, 2 oder 3 ct pro kWh ist zu diskutieren. In jedem Fall sollte erreicht werden, dass Biogasbauern und nicht „Sofabauern“ das Geld verdienen.
Walter Danner