Was ist ein Solarmobil?
Auch die Mobilität muss erneuerbar werden. Daran besteht kein Zweifel. Doch die Ansichten über die Definition eines Solarmobils gehen weit auseinander. vielleicht stellen wir sogar die völlig falschen Fragen und lösen die falschen Probleme?
Die Technik der Solarmodule ist weit fortgeschritten. Die heutigen Hochleistungszellen sind weit besser als die aus dem Jahr 1990. Dennoch konnte man bereits damals Elektroautos bauen, die rein mit der Energie fuhren, die direkt auf dem Auto mit der Kraft der Sonne erzeugt wurde. Über die Definition eines Solarautos musste man damals nicht lange streiten. Wenn PV-Module auf dem Dach sind, dann ist es ein Solarauto.
Doch die kritischen Fragen beginnen bereits damit, ob dies wirklich „Autos“ sind. Fast alles, was bisher mit PV-Modulen auf dem Dach zu Höchstleistungen befähigt wurde, fällt eher in die Kategorie eines „Mobils“. Da ist die „No. 1“ von SolarWorld (Bild 1) schon ein sehr fortschrittliches „Mobil“, denn hier kann der Fahrer auch ohne die Hilfe seines Teams ein- und aussteigen. Doch wie soll man mit einem Einsitzer die Schwiegermutter vom Bahnhof abholen? Würde man mit solchen Solarmobilen die Auslieferung all der Güter und Waren vornehmen wollen, die unsere Gesellschaft braucht, um z.B. auch Hochleistungssolarzellen für Solarmobile produzieren zu können? Wie wird also aus einem LKW ein Solarmobil?
Ein Solarmobil braucht Sonne?
Mindestens genauso alt wie die Debatte um die Definition eines „Autos“, ist die Frage, ob Sonnenenergie automatisch Solarstrom bedeutet. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) betreut ja auch die Themen Wind- und Bioenergie. Schon lange ist Konsens, dass nur der Mix aus allen Formen von Sonnenenergie in der Lage sein wird, in jeder Jahreszeit eine stabile Energieversorgung für unsere vielfältigen Energiebedürfnisse garantieren zu können. Um sprachlichen Verwirrungen vorzubeugen, hat sich auch deshalb in den letzten Jahr(zehnt)en der Begriff der erneuerbaren Energien etabliert. Doch was ist nun ein erneuerbares Mobil?
Biotreibstoffe sind ohne Zweifel auch eine Form von erneuerbaren Energien. Der Einsatz von Pflanzenöl oder Bioethanol würde also aus jedem fossilen Mobil mit Verbrennungsmotor — egal ob Roller oder LKW — ein erneuerbares Solarmobil machen. Doch muss dazu der Motor des Autos umgerüstet werden, damit er 100%-reinen Biotreibstoff verbrennen kann? Anders als beim kalt gepreßten Rapsöl gibt es Ethanol meist nur mit maximal 85%-iger Reinheit (E85). Kann damit ein Bioethanolauto überhaupt jemals ein „echtes“ Solarmobil werden?
Zählt der direkte Zusammenhang?
Für das Erreichen der Klimaschutzziele ist es für die EU ausreichend, wenn die Biotreibstoffe dem normalen Sprit beigemischt werden. Bei einem Anteil von rund 6% Biosprit kann man auf Motorenumrüstungen verzichten. Wo liegt nun aber der Unterschied der Beimischung zur direkten Nutzung? Würde man die gleiche Menge Biosprit in reinen Biospritautos verbrennen, wäre aus Sicht des Klimaschutzes ja nichts gewonnen. Schließlich wird es dadurch nicht mehr klimaneutraler Biosprit, er wird nur an einer anderen Stelle verbrannt. Doch im Zuge der Beimischung gibt es ja offenbar dann überhaupt keine „echten“ Solarmobile mehr?
Bei flüssigen Treibstoffen ist für uns Menschen alles noch recht direkt einsehbar oder (be)greifbar. Der Raps wächst auf dem Feld. Die Körner gehen in die Ölmühle in der Garage und das Öl, das aus der Presse unten heraustropft, geht in den Tank des Autos, bevor es im Motor verbrannt wird. Bei räumlicher Nähe kann man die Kette gut nachverfolgen und damit auch verstehen. Doch was ist, wenn der direkte räumliche Zusammenhang nicht mehr gegeben ist? Was, wenn das kalt gepresste Rapsöl aus dem Regal eines Biosupermarktes stammt, oder gar vom Billigladen, der seine Ware irgendwo aus „No-Name“-Asien bezieht?
Beim Strom ist es im Prinzip nicht anders. Wenn der direkte Zusammenhang zum Greifen nahe liegt, dann sehen wir das Fahrzeug gerne als „gut“ und „sauber“ an. Aber warum kann man die wertvollen Solarzellen eines „Solarmobils“ nicht genauso gut auf einem optimal nach Süden ausgerichteten Dach anbringen oder auf die grüne Wiese stellen? Ist es dann kein Solarauto mehr? Bei manchen Fahrzeugen ist das Anbringen der Solarstromtechnik direkt auf dem Auto gar nicht möglich (siehe Bild 2).
Doch wann besteht eigentlich ein „direkter“ Zusammenhang zwischen Energieproduktion und Energieverbrauch? Wenn beide Anlagen der gleichen Person gehören? Wenn beide Anlagen zur gleichen Zeit erbaut wurden? Wenn der Verbraucher den Produzenten bezahlt?
Zusätzliche Erneuerbare?
Um Subventionen für Elektroautos zahlen zu dürfen, muss die Bundesregierung sicherstellen, dass auch die Atom- und Kohlestromwirtschaft betont, dass alle Elektroautos mit erneuerbaren Energien fahren werden. Denn wenn dem nicht so wäre, dann wäre der Umweltnutzen der Elektroautos eher gering oder gar nicht erkennbar. Damit wäre die Subvention im Sinne der EU-Rechtssprechung aber eine unerlaubte Beihilfe. So mahnen die Umweltschützer zu recht, dass die „Ökostrom-Elektroautos“ keine billigen Werbephrasen sein dürfen, die durch billige Wortspiele und Rechentricks erschaffen werden. Bei der solaren Mobilität geht es um mehr als grünes Image für schmutzige Industriesektoren. Sehr schnell kam so die Forderung nach zusätzlicher erneuerbarer Energie auf. Doch was ist das überhaupt?
Selbst im Bereich der Biotreibstoffe würde eine Erklärung von „zusätzlicher erneuerbarer Energie“ schwer fallen. Muss der Autokäufer mit dem Neuwagen auch gleich einen Hektar unfruchtbare Wüste kaufen und dort Ölpflanzen aussetzen? Wäre das die einzige Option, um solare Mobilität „glaubwürdig“ umzusetzen? Dies wäre eigentlich die korrekte Analogie für flüssige Treibstoffe, wenn man die seit rund zwei Jahren laufende Debatte um Elektroautos und zusätzlichen erneuerbaren Strom bildhaft übertragen will.
Faktisch ist diese, heute durchaus noch weit verbreitet Forderung, der Tod der vielversprechenden Effizienztechnologie namens „Elektromobil“. Der Kunde soll nicht nur die unkalkulierbaren Kosten und Risiken der Akkus tragen, er soll auch noch gleich das Kraftwerk bauen, das die nächsten 20 Jahre die Energie für sein Fahrzeug produzieren wird. Dies mag die Erwartungen an die „Zusätzlichkeit“ befriedigen, doch was, wenn der Autokäufer schon letztes Jahr eine Solarstromanlage gebaut hat oder nächstes Jahr sowieso in eine Windkraftanlage investiert hätte. Ist sein Engagement dann überhaupt noch „zusätzlich“?
Widersprüche
Die Debatte um die „saubere Mobilität“ ist voller Widersprüche. So verlangen wir von den Biotreibstoffen einen Nachweis für die Nachhaltigkeit, den jedoch kein fossiler Treibstoff vorweisen muss oder jemals erbringen könnte.
Beim Kauf eines Verbrennungsautos ist es uns egal, womit und wie es später betrieben wird, Hauptsache auf dem Prüfstand wurde ein geringer CO2-Ausstoß ermittelt. Weniger als 130 g/km sind traumhaft. Elektroauto hingegen sollen jedoch möglichst erst dann auf die Straße, wenn alle Kohlekraftwerke abgeschaltet sind oder der komplette Nachweis erbracht wurde, dass das Auto tatsächlich nur 4 g CO2 je Kilometer zu verantworten hat und die Energie aus „zusätzlichen“ (was auch immer das sein soll) Kraftwerken stammt. Die Eisenbahn darf jedoch mit Braunkohle und Atomstrom „billig“ fahren und auch dem ÖPNV reicht ein „grünes Mäntelchen“ bei der Strombeschaffung. Wenn eine Straßenbahn mit Strom aus abgeschriebener, alter Wasserkraft versorgt wird, ist das in der Regel offenbar gut genug.
Das technische Zusammenspiel
Das Agieren mit gespaltenen Haaren und die Diskussion um Nachkommastellen sollte aufhören. Wir brauchen eine strategische Strukturdebatte für die solare Elektromobilität. Im Rahmen einer Studie wird derzeit geprüft, welche Maßnahmen zur Förderung der Elektromobilität möglich sind und wie man eine Kopplung an erneuerbare Energien herbeiführen könnte. Die Position der DGS ist, dass ein Solarmobil immer dann entsteht, wenn auf Seiten des Fahrzeuges die technischen Möglichkeiten geschaffen wurden, um die zwingend notwendige Verlagerung der Last zu ermöglichen. Nur das Verlagern der Nachfrage schafft eine reale „Zusätzlichkeit“.
Das Angebot der erneuerbaren Energien richtet sich vor allem nach dem Wetter. Um im Stromnetz einen sicheren Ausgleich zu schaffen, müssen wir sehr schnell den Verbrauch regelbar machen. Elektroautos sind ohne Stromspeicher nicht möglich, was umgekehrt bedeutet, dass wir mit Elektroautos automatisch die Möglichkeit bekommen, nennenswerte Anteile des Stromverbrauches zeitlich zu verlagern … wenn wir es richtig machen.
Wir setzen uns deshalb für folgende technische Maßnahmen ein:
- öffentliche Stromstellen als Ladeinfrastruktur,
- dreiphasige Netzintegration,
- leistungsstarke, wenn möglich bidirektionale Netzanbindung mit dynamischer Netzstützung,
- überdimensionierte Akkus,
- Stromzähler im Auto.
Im Rahmen unserer Artikelserie zur „Netzintegration“ haben bzw. werden wir die technischen Details dieser Maßnahmen ausführlich erläutern.
Tomi Engel