Ein solares Forschungsschulschiff für den Werbellinsee
Im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin soll das Solarschiff Schülern Lehrstunden in Sachen Nachhaltigkeit geben
Innovativ, einzigartig in Deutschland, Pioniervorhaben! Mit diesen Worten lässt sich das Projekt um das Solarschiff „Sonnenschein“ (zurzeit noch ein Arbeitstitel) am Werbellinsee wohl am besten beschreiben.
Nach langer Vorbereitung stand das Konzept des Schiffes zu Beginn 2009 fest. Ideengeber waren Uwe Graumann vom Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin und Wolfram Appel, Ingenieur für Solare Antriebstechnik in Berlin. Fast zeitgleich entwickelten beide Ende 2006 die Idee eines effizienten, solarbetriebenen Schulschiffes sowie dessen Einsatz im Biosphärenreservat. Dr. Uwe Hartmann kam im Laufe des Jahres 2007 mit ins Boot, um bei der Akquise der nötigen Mittel zu helfen. Dies gelang 2009 mit der Bereitstellung von Geldern aus dem Konjunkturpaket II, wobei ein nicht geringer Teil der Kosten über Sponsoren eingeworben wurden bzw. noch eingeworben werden müssen. Als Projektträger fungiert der Verein „Kulturlandschaft Uckermark“ (KLU) mit Martin Krassuski als Vorstand und Sitz in Angermünde. Felix Fliege vom Schiffbauinstitut der TU Berlin leistete wesentliche Planungsarbeit.
Es ist den Verantwortlichen des Projektes gelungen, ein 100 Prozent solarbetriebenes Schulungsschiff im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin zu konzipieren, bei dessen Einsatz „Learning by doing“ nicht neu erfunden, aber auf eine innovative und interessante Weise neu umgesetzt wird.
Der Standort
Mit einer Fläche von knapp 130.000 ha, übersät mit unzähligen Wäldern, Mooren und über 200 Seen, ist das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin im Nordosten Brandenburgs eines der größten Naturreservate in Deutschland. Geformt von der letzten Eiszeit ist eine Moränenlandschaft entstanden, die vielen gefährdeten Arten wie z.B. dem Seeadler oder dem Schwarzstorch Zuflucht bietet. Der Werbellinsee ist mit ca. 10 km Länge und im Mittel 1,5 km Breite einer der größten Seen in der Region. Dazu hat er eine Tiefe von bis zu 65 Metern. Andere Biosphärenreservate sind z.B. die Halligen vor der Westküste Schleswig-Holsteins oder die Rhön in Hessen und Bayern.
Laut UNESCO Deutschland ist das Biosphärenreservat Modellregion für eine umweltschonende Nutzung unserer Umwelt. Schritt für Schritt werden seit Jahren Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit in der Region vereint – mit Erfolg. So werden Betriebe und Bürger bei der Umstellung der Energieversorgung auf Erneuerbare Energien unterstützt. Landwirtschaft und Fischerei werden so umweltverträglich wie möglich betrieben. Im Vordergrund steht dabei immer der Erhalt der einzigartigen Fauna und Flora sowie der Landschaft selbst.
Für allgemein bildende und Berufsschulen sowie Weiterbildungseinrichtungen bietet das Reservat nahezu unbegrenzte Forschungs- und Lernmöglichkeiten in Sachen Biologie, Physik, Chemie, Limnologie und Geologie. Hier soll das Schulschiff ansetzen: Plattform zu sein für alle, die Zusammenhänge und Ursachen in den oben genannten Bereichen erkennen und daraus selbst eigene Verhaltensmaximen entwickeln wollen.
Das Schiff
In Deutschland sind zurzeit ein gutes Dutzend Solarschiffe in Betrieb. Eines der neuesten ist die Solon, die als Charterschiff in Berlin an der Spree stationiert ist. Auch in Hamburg, auf dem Bodensee und in Hannover fahren elektrisch betriebene Schiffe mit Solarmodulen auf dem Schiffskörper. Nicht zu vergessen die Planet Solar, die kürzlich zu ihrer Weltreise gestartet ist.
Die überwiegende Zahl dieser Schiffe dient als Charterboote, also für den normalen Passagiertransport.
Die „Sonnenschein“ unterscheidet sich von diesen Konzepten entscheidend. Primäres Ziel des Betriebes ist die Durchführung von Aus- und Weiterbildungsstunden.
Das Schiff selber wird in Aluminium als Katamaran gebaut (möglichst recyceltes Material). Die Schwimmkörper sind widerstandsoptimiert; eine Eigenschaft, die für elektrisch angetriebene Schiffe essentiell ist.
Bei einer Länge von ca. 17 Metern und einer Breite von etwa 5 Metern wird das Schiff von zwei Elektromotoren mit je ca. 7 kW Nennleistung angetrieben. Eine Batterie sorgt dafür, dass unter bestimmten Bedingungen die Fahrzeit bis zu 8 Stunden betragen kann. Der Solargenerator befindet sich auf dem Dach und hat eine Nennleistung von etwa 8 kWp.
Die Ausrüstung des Schiffes wird speziell auf die Altersklasse und Bedürfnisse der jeweiligen Schülergruppe abgestimmt sein. Eine modulare Bauweise erlaubt einen einfachen und schnellen Austausch der Komponenten. Neben einer Schiffsstandardausrüstung ist dieser „Dampfer“ mit einer energiesparenden LED-Beleuchtung ausgestattet und verfügt über Einrichtungen, die den Energiekreislauf im Schiff visualisieren und verstehbar machen. Modernste Geräte zum Analysieren und Auswerten von z.B. Wasser- und Sedimentproben (Mikroskope, chemische Analysegeräte etc.) sind an Bord. Ein Gerätedavid wird zur Probenentnahme genutzt. Eine moderne Präsentationsausrüstung für Vorträge und Seminare steht allen Schülern zur Verfügung. Und zu guter Letzt: Ein verglaster Boden, durch den man beobachtet, was unter der Wasseroberfläche vor sich geht!
Der Bildungsauftrag
„Das Verantwortungsbewusstsein der Menschen für ein pflegliches Verhalten gegenüber der Natur und Landschaft soll geweckt und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Naturgütern angeregt werden. Das allgemeine Verständnis für die Natur und die Umwelt ist durch Bildungs-, Erziehungs- und Informationsträger aller Ebenen zu verbessern.“ (vgl. § 1c BbgNatSchG)
Dieser Satz aus dem Naturschutzgesetz bildet die Grundlage für das Bildungskonzept des Schiffes, zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Schülern, Studenten und Erwachsenen wie schon weiter oben erwähnt. Das Solarschiff ist ein Ort, an dem themen- und fachübergreifendes Lernen praktisch vermittelt wird. Wissensgebiete wie Energienutzung und Klimaschutz, Geografie, Biologie und Physik sind Grundlage für das Konzept. Wesentlicher Bestandteil des Projektes ist die Entwicklung von speziellen Lerneinheiten für den Unterricht auf dem Schiff. Diese können und sollen in die Lehrpläne der Schulen integriert werden. Neue Materialien und Arbeitsunterlagen für Lehrer sollen erarbeitet werden.
Aktuell befindet sich das Projekt am Ende der Planungs- und am Beginn der Bauphase. Viele Schulen aus der Region und aus Berlin haben bereits Interesse bekundet, das Schiff zu nutzen. Das Projekt ist eng eingebunden in andere Aktivitäten in der Umgebung wie z.B. ErneuerBAR, einem vom BMU geförderten Vorhaben. Dieses hat sich zum Ziel gesetzt, den Kreis Barnim zu 100% mit Erneuerbaren Energien zu versorgen. Der Stapellauf des Schiffes ist für Ende Frühjahr 2011 geplant. Durch den Einsatz des Solarschulschiffes wird „Learning by doing“ zwar nicht neu erfunden, aber auf eine innovative und interessante Weise vorbildhaft umgesetzt.
Dr. Uwe Hartmann