Ökostrom als Erdgas speichern
Mit erneuerbarem Methan kann künftig Überschussstrom aus Windkraft und Photovoltaik in der vorhandenen Erdgasinfrastruktur gespeichert werden.
Weltweit wird immer mehr Strom aus Wind und Sonne gewonnen. Bisher fehlt es jedoch an gut integrierbaren Speichern für den fluktuierend anfallenden Ökostrom. Wissenschaftlern des Zentrums für Sonnenenergie und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart ist es gelungen, die erneuerbare Elektrizität in Methan umzuwandeln. Und das ist bekanntlich problemlos speicherbar. Das neue Verfahren wurde in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES entwickelt. Derzeit bereitet das österreichische Partnerunternehmen Solar Fuel Technology die industrielle Umsetzung vor. Der Vorteil dieser Technik besteht darin, dass die gesamte vorhandene Erdgasinfrastruktur genutzt werden kann. Eine von Solar Fuel in Stuttgart errichtete Demonstrationsanlage läuft bereits erfolgreich. Ab 2012 soll eine deutlich größere Anlage im zweistelligen Megawattbereich entstehen.
Das Verfahren zur Erdgasherstellung kombiniert erstmals die Technologien Wasserstoff-Elektrolyse und Methanisierung. „Unsere Stuttgarter Demonstrationsanlage spaltet aus überschüssigem erneuerbarem Strom Wasser per Elektrolyse. Dabei entsteht Wasserstoff und Sauerstoff“, erklärt Dr. Michael Specht, Leiter des Bereichs Brennstoffe/Wasserstoff des ZSW. „Durch eine chemische Reaktion des Wasserstoffs mit Kohlendioxid entsteht dann Methan – und das ist nichts anderes als Erdgas, nur synthetisch erzeugt.“ Bisher habe man, etwa in GUD-Kraftwerken Gas in Strom umgewandelt. „Jetzt denken wir auch in die andere Richtung und wandeln Strom in synthetisches Erdgas um“, erklärt Dr. Michael Sterner vom Fraunhofer IWES, der die systemtechnischen Aspekte des Verfahrens erforscht. „So können Überschüsse von Wind- und Sonnenenergie gespeichert und Ökostrom als Erdgas vorrätig gehalten werden.“
Bei seiner Entwicklung habe sich das ZSW von zwei Kernfragen leiten lassen, erläutert Specht: „Welche Speicher bieten eine ausreichende Kapazität für die je nach Wind und Wetter unterschiedlich stark anfallenden Erneuerbaren Energien? Und welche Speicher lassen sich am einfachsten in die bestehende Infrastruktur integrieren?“ Genau für diese Aufgabe kann der größte in Deutschland bereits vorhandene Energiespeicher genutzt werden: das Erdgasnetz. Über die Brücke Strom-zu-Gas kann seine Kapazität von 200 TWhth erschlossen werden, was in GuD-Kraftwerken einer elektrischen Energie von 120 TWhel entspricht. Das Stromnetz selbst verfügt, jedenfalls gegenwärtig, nur über 0,04 Terawattstunden. Und die bisher vorherrschende Speicherform, die Pumpspeicherkraftwerke, sind in Deutschland nur geringfügig ausbaufähig. Das Erdgassubstitut kann wie herkömmliches Erdgas in Versorgungsnetz, Pipelines und Speicher eingespeist werden, um dann Erdgasautos, Erdgasheizungen oder Kraftwerke anzutreiben.
Aber das neue Konzept bietet weitere Vorteile. Durch die Absorption von CO2 aus der Luft kann ein kohlenstoffneutrales Erdgas-Substitut oder andere erneuerbare Kraftstoffe hergestellt werden, unabhängig von fossilen Energieressourcen. Verschiedene integrierte Konzepte mit unterschiedlichen CO2-Quellen sind laut ZSW möglich. Das für die Herstellung von EE-Methan notwendige CO2 kann aus der Luft absorbiert oder direkt von CO2-Quellen aus industriellen Prozessen (z.B. Kalk- und Zementherstellung), Biogasanlagen, Biomassevergasungsanlagen, Kläranlagen oder in der Übergangszeit aus fossilen Kraftwerken abgegriffen werden. Das CO2 ließe sich auch durch seine Abtrennung bei der Verbrennung von EE-Methan in Gaskraftwerken teilweise recyceln.
Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom zu Erdgas beträgt über 60 Prozent, so Specht. „Das ist unserer Meinung nach definitiv besser als ein vollständiger Verlust“, argumentiert er und spielt damit darauf an, das heute bei einem Stromüberangebot regelmäßig Windkraftanlagen in großen Stil abgeschaltet werden. Der Wirkungsgrad des Verfahrens sei nicht in dem Maße relevant wie in anderen Prozessen, da es für Langzeitspeicherung bisher keine Lösung im globalen Maßstab gibt.
Klaus Oberzig