Warmfront gegen Klimaerwärmung
Energiesparen auf Britisch: Während der Industrialisierung spielte Großbritannien, besonders England, eine bedeutende Vorreiterrolle. In Sachen Energieeffizienz allerdings hört man im Allgemeinen wenig von der Insel. Dieser Artikel gibt einen kurzen Überblick über die energiepolitischen Maßnahmen in Großbritannien.
"Die Koalitionsregierung gilt als die grünste Regierung seit jeher“, so steht es zumindest auf der Internetseite des Ministeriums für Umwelt, Nahrung und Landwirtschaft, dem Department of environment, food and rural affairs, kurz Defra genannt. Im Jahr 2008 wurde der Clima Change Act gegründet, der für die Minister den Klimaschutz zur Pflicht macht: Bis zum Jahr 2050 sollen 80% CO2-Emisionen im Vergleich zu 1990 eingespart werden. Das sind sicherlich sehr ehrgeizige Ziele. Auch Deutschland möchte diese Zielformulierung der Industriestaaten erreichen.
Weichenstellung 2008
Welche Maßnahmen sollen im vereinigten Königreich zu diesen Einsparungen führen und wie erfolgreich ist man dabei? Seit 2008 wurden zahlreiche Weichen gestellt. Im Oktober wurde mit dem Department of Energy und Climate Change, kurz DECC, ein neues Ministerium geschaffen. Es vereint die Kompetenzen von Energie- und Klimaschutzpolitik. Diese waren zuvor auf die beiden Ministerien DEFRA und BIS (Department for Business, Innovation and Skills) aufgeteilt gewesen.
Der im November 2010 vom DECC veröffentlichte Businessplan 2011–2015 benennt im Wesentlichen vier große Ziele:
- Energiesparen und Unterstützung einkommensschwacher Haushalte,
- Bereitstellung von sicherer und CO2-armer Energie,
- verantwortungsvoller wie auch kosteneffizienter Umgang mit Energiealtlasten und
- Veranstaltungen von Klimaschutzaktionen in In- und Ausland.
Anhand von bestimmten Indikatoren, wie z.B. der Anzahl durchgeführter Energieeffizienz-Maßnahmen, die regelmäßig gemessen und veröffentlicht werden, soll der Erfolg der einzelnen Schritte nachweisbar bleiben.
Das Energy Performance Certifecat
Da die Gebäude in Großbritannien mit etwa 50% des Energieverbrauchs und somit auch für einen Großteil der Treibhausgasemissionen verantwortlich gemacht werden können, wurde der Energieausweis, auf englisch Energy Performance Certifecat, kurz EPC, als Impulsgeber für die Steigerung der Gebäudeenergieeffizienz eingeführt. Seit Oktober 2008 gilt er in England und Wales für alle Gebäude, die verkauft, vermietet oder neugebaut werden. Es sind sogar Geldstrafen bei Nichtbeachtung vorgesehen. Anerkannte Energiegutachter, sowohl Freiberufler als auch bei Energiefirmen oder Immobilienbüros Tätige, stellen den EPC aus.
Während der Besichtigung eines Objektes werden wichtige Daten über dessen Abmessungen, Konstruktion sowie Anlagentechnik erfasst. Ein von der Regierung geprüftes Berechnungsprogramm stellt mithilfe dieser Daten daraufhin den EPC aus. Ähnlich wie in Deutschland ist mit Hilfe dieses Zertifikats ein energetischer Vergleich von Gebäuden möglich. Konkret werden dabei für den Verbrauch und die Nutzerbedingungen Standards eingegeben, auch das ist ähnlich dem Verfahren in Deutschland. Es gibt zudem Sanierungsempfehlungen, welche wie bei uns nicht verpflichtend sind. Auch gibt der EPC typische Kosten für mögliche Maßnahmen zur Energieeinsparung an.
Die Auswertung erfolgt ähnlich dem Label für energieeffiziente Geräte wie Kühlschrank, Waschmaschine oder Herd. Der EPC enthält eine Skala für Energieeffizienz mit der Einheit kWh pro m2 Wohnfläche sowie eine weitere für die verursachten CO2-Emissionen. Beide Skalen zeigen den Ist-Zustand wie auch das mögliche Potential nach erfolgten Energieeffizienz-Maßnahmen.
Finanzielle Unterstützung
Ist man auf der Suche nach einer finanziellen Unterstützung zur Umsetzung der vorgeschlagenen Energieeffizienz-Maßnahmen, kann man sich in Großbritannien an eine von drei möglichen Stellen wenden: an die Regierung selbst, an den Energieversorger und an die kommunalen Behörden.
Ein bereits 2000 veröffentlichtes Förderprogramm existiert in leicht unterschiedlichen Varianten überall auf der britischen Insel. In England läuft es unter „The Warmfront Scheme“, in Wales unter „Home Energy Efficiency Scheme“, in Schottland unter „Energy Asistance Package“ und in Nordirland unter „Warm Homes Scheme“.
Das Programm zielt sowohl auf Eigenheimbesitzer als auch auf Mieter ab. Es unterstützt vor allem einkommensschwache Haushalte; eine Voraussetzung ist der Bezug einer staatlichen Unterstützung.
Wer sich für das Förderprogramm qualifiziert, bestellt einen Techniker bzw. Gutachter, der das Objekt besichtigt und geeignete Energieeffizienzmaßnahmen vorschlägt. Handwerker, welche speziell hierzu ausgebildet werden, setzen schließlich die Maßnahmen um. Um die Qualität der Arbeiten sicherzustellen, werden diese regelmäßig überprüft. Außerdem gibt es für die Installationsarbeiten an der Heiztechnik eine 2-jährige Garantie und einen technischen Kundendienst, After Care Service, genannt.
Öl, Gas, Nachtspeicheröfen – wenig Erneuerbare
Mit 3.500 Englischen Pfund wird beispielsweise eine verbesserte Dämmung oder auch eine Heizungsmodernisierung bezuschusst. Bei aufwendigeren Installationen, wie einer neuen Zentralheizung und Installation von Erneuerbaren Energien gibt es bis zu 6.000 Pfund Zuschuss. Folgende Maßnahmen werden gefördert: Dämmung der oberen Geschossdecke, des Hohlraums zwischen den Mauern oder die des Warmwasserspeichers. Des Weiteren gibt es Unterstützung beim Austausch der Dichtungen für Fenster und Außentüren, dem Einbau einer Glasfront für offene Kamine, Reparatur von bestehenden Heizungen. Bei neuen Zentralheizungen werden die Energiearten Öl, Gas, aber auch elektrischer Nachtspeicheröfen gefördert.
Ein Blick auf die Statistik zeigt, dass Erneuerbare Energietechniken im Jahr 2008/2009 nur sehr selten zum Einsatz kamen: ganze 125 solarthermische Anlagen wurden installiert, obwohl von Anfang April 2008 bis Ende März 2009 insgesamt 233.596 Haushalten geholfen wurde: am häufigsten kamen dabei folgende Maßnahmen zum Einsatz:
- Austausch des Heizkessels:ca. 80.000,
- Dämmung der obersten Geschossdecke: ca. 57.000,
- Hohlraumdämmung: 27.000
- Abdichtung der Fenster und Türen: 25.000,
- Gaszentralheizung: ca.14.000,
- elektrische Zentralheizungen:ca. 8.000.
Da das Programm offenbar nur bestimmte, konkret beschriebene Maßnahmen fördert, bleiben bestimmte Hauskonstruktionen außen vor: So auch Häuser, deren Außenwände massiv, also ohne den typischen Hohlraum zwischen der Außenverklinkerung und der Innenmauer sind. Das macht in Großbritannien immerhin ein Drittel der Haushalte aus, so dass es auch Sonderprojekte mit Förderung extra für diesen Typus gibt. Auch für Eigentümer von vermieteten Gebäuden gibt es eine Möglichkeit, Energieeffizienzmaßnahmen an ihrem Gebäude fördern zu lassen. Mit einer Steuerabschreibung von bis zu 1.500 Pfund pro Jahr können die Investitionskosten für alle Dämmmaßnahmen (oberste Geschossdecke, Wand-, Hohlraum-, Boden- oder Warmwasserspeicher) abgeschrieben werden.
Der Energieversorger hilft
Große Energieversorger werden besonders in die Verantwortung genommen, CO2 einzusparen und Energieeffizienzmaßnahmen bei finanzschwachen Kunden durchzuführen. Im Rahmen des CERT (Carbon Emissions Reduction Target) sind Energieversorger mit über 15.000 Kunden verpflichtet, von 2008 bis 2011 mindestens 40% ihrer CO2-Einsparungen über Energieeffizienzmaßnahmen bei einkommensschwachen Kunden, vorzugsweise älteren Menschen, zu erreichen.
Der Energy Saving Trust berät
Es wird deutlich, dass es auch in Großbritannien eine große Vielfalt an Fördermöglichkeiten gibt. Auch hier ist eine unabhängige Beratung für den Kunden unerlässlich. Beispielsweise verfügt der Energy Saving Trust (die Energiesparstiftung) in England über zahlreiche regionale Beratungscenter. Er verfügt über ein gut organisiertes Netzwerk und ist mittlerweile ebenso in Schottland, Wales und Nordirland vertreten. Der Energy Saving Trust stellt Information und Beratung zum Thema Energiesparen, Wasser sparen und Müllrecycling auf seiner Webseite und auch in den Beratungscentern kostenlos zur Verfügung. Auf lokaler Ebene wird eine Zusammenarbeit mit den jeweiligen Behörden bzw. auch Firmen und Organisationen angestrebt.
1993 wurde er von der britischen Regierung als Non Profit Gesellschaft gegründet, er dient als eine Art Brücke zwischen Kunden und Regierung. Neben den verschiedenen Ministerien für Energie- und Klimaschutz, Verkehrswesen in Nordirland, Schottland und Wales sind auf der privaten Seite viele große Firmen wie E.ON, RWEnpower, Phoenix Gas, Shell UK etc. in ihm vertreten.
Fazit
In Großbritannien geschieht also eine Menge in Sachen Energieeffizienz. Die sehr ehrgeizigen Einspar-Ziele werden auch mit konkreten Mitteln verfolgt. Seit 1990 wurden im Vereinigten Königreich die Treibhausgasemissionen um 18,6% verringert, in Deutschland um 22%. Beide Länder stehen aber auch in der EU an der Spitze der Treibhausgasemissionen. Deutschland ist auch weiterhin die Nummer eins mit 958 Mio. t im Jahr 2008, gefolgt von Großbritannien auf Platz 2 mit 628 Millionen Tonnen. Auf den Einwohner pro Kopf umgerechnet emittierte ein Deutscher 9,7 t CO2, ein Brite 8,6 t im Jahr 2007. Bleibt zu hoffen, dass beide Länder weiterhin oder besser noch intensiver daran arbeiten, Energie einzusparen und gleichzeitig die Erneuerbaren Energien auszubauen.
Die Briten kämpfen im Vergleich zu den Deutschen noch mit einem erheblich geringeren technischen bzw. qualitativen Niveau der Haustechnik und der Gebäudehülle. Das lässt sich sehr gut an den geförderten Maßnahmen ablesen: Wer würde bei uns noch eine elektrische Zentralheizung über Nachtspeicheröfen fördern? Oder Abdichtungen für Fenster? Oder gar eine Glasscheibe für offene Kamine?
Eine Vielzahl von Studien belegt außerdem, dass der Kampf gegen die Fuel Poverty, die Brennstoffarmut, und die damit einhergehenden kalten Wohnräume im Winter ein großes Thema für viele Haushalte ist.
Anna Bedal