Das 50,2-Hertz-Problem im Blick
Energie-Cluster Bayern zu Solarelektronik und Wechselrichtern: Solarstrom soll das Stromnetz stützen und nicht stürzen: Sind die zurzeit in Deutschland installierten Solarstromanlagen mit insgesamt 16 Gigawatt Spitzenleistung für die Stabilisierung des Stromnetzes Chance oder Risiko? Vor allem darum ging es beim Forum „Solarelektronik und Wechselrichter“ des Bayerischen Cluster Energietechnik Mitte Mai in Bayreuth. 150 Besucher hörten viel über Produkte, Netzleittechnik, zur nachhaltigen Zukunft der Energieversorgung. Die Begleitausstellung bot meist Einblicke in Details von Neuentwicklungen.
PV-Backup-Systeme
Viele Solar-Techniker haben die Dezentralität von Sonnen-, Wasser-, Bioenergie- und Windkraftwerken im Blick. Beispielsweise entwickeln sie „dezentrale Speicher zur Verbesserung des Eigenverbrauchs“ bei Solarstromanlagen wie Volker Wachenfeld vom Wechselrichtermarktführer SMA erläuterte. Das Unternehmen hat dabei vor allem die Möglichkeiten, die das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bietet, im Fokus. „Mit Speicherung lässt sich Energieverbrauch in den Abend verschieben: Es geht. Aber ob das die Netzbelastung senkt, ist eine andere Frage.“ Er zog jedoch in Zweifel, dass Eigenverbrauch und Speicher den mittäglichen Solarstromüberschuss wirksam auf Zeiten mit Verbrauchsspitzen verteilen könne.
Noch sei das aktuelle EEG aus Wachenfelds Sicht kein wirkliches Anreizsystem. Dazu müssten Stromverbrauchs- wie Erzeugungsprognose noch verbessert werden. Aber„systemtechnisch ist das kein großes Geheimnis. Der Wechselrichter braucht lediglich die Information >jetzt speichern<“. SMA setze auf „ausgereifte Lösungen mit Bleibatterien“ und nicht wie andere auf Lithium-Ionen-Akkus, weshalb das „Sunny Backup“ genannte System bereits ab August 2011 erhältlich sein soll.
50,2-Hertz-Problem
Thomas Schaupp vom Wechselrichter-Produzenten Kaco sieht die Gefahr, dass das hiesige Stromnetz auf einen Schlag zusammenbricht. Vor allem wegen jener 10 GW Photovoltaik-Anlagen, die alleine in Niederspannungsnetze einspeisen. Der Grund: Das 50,2-Hertz-Problem. Steigt die Netzfrequenz über 50,2 Hz, müssen momentan Wechselrichter „unverzüglich“ abschalten, so die Technischen Regeln. Doch „fallen die 10 GW weg, dann können die Übertragungsnetzbetreiber nur 3 GW kurzfristig aktivieren. Das würde zum Blackout führen, erläuterteThomas Schaupp.
VDE AR-N4105
Am 1. Juli wird die neue „Anwendungsrichtlinie VDE AR-N4105“ veröffentlicht. Die nennt keine 50,2-Hz-Schwelle mehr, auch dank einer Bewusstseinsänderung beim Bundesverband Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft (BDEW). Ab 2012 dürfen sich neue Wechselrichter zwischen 51,5 und 47,5 Hz nicht mehr automatisch vom Netz trennen – stattdessen wird deren Leistung reduziert.
Schon ab jetzt wollen deutsche Hersteller die AR-N4105 einhalten und nicht die Übergangsfrist bis 31. Dezember 2011 ausnützen. Dennoch werden wohl noch zig MW Solaranlagen mit „alten“ Wechselrichtern ans Netz gehen. Es gäbe noch Lagerbestände, und was im Ausland hergestellt wird, sei möglicherweise auch nicht AR-N4105-konform, war in Bayreuth zu hören.
In der AR-N4105 steht laut Thomas Schauppaber auch: „die bislang jederzeit zugängliche Trennstelle entfällt zukünftig auf jeden Fall.“ Das wird Installateure wie Anlagenbetreiber freuen. Andererseits dürfen künftig Einphasen-Wechselrichter nur noch maximal 4,6 kVA ins Netz einspeisen. Dazu forderte Schaupp lapidar: „Die Installateure sind gehalten, die Übergangsregelung umzusetzen.“
In der Idee, Speicher von Elektroautos für den Netzausgleich zu nutzen, sahen die Fachleute in Bayreuth dagegen keinen echten Sinn: Autos seien zum Fahren, nicht zum Stromspeichern da, war die einhellige Meinung.
Heinz Wraneschitz