Sonnenbier
Nicht nur erfrischend, sondern auch umweltfreundlich ist Bier, wenn es mit Solarwärme gebraut wird. das geht sogar recht gut: der Brauprozess braucht viel Wärme bei eher niedrigen Temperaturen – ideal für den Einsatz von Sonnenkollektoren.
Ob Pils oder Weizen, im Biergarten in der Sonne schmeckt jedes Bier noch mal so gut. Das freut nicht nur den Biergartenbesitzer, sondern auch alle, die sich mit solarer Prozesswärme befassen. Denn nur in wenigen Branchen passen die Voraussetzungen, um Solarwärme in Prozesse zu integrieren, so gut zusammen wie in Brauereien. Brauereien brauchen viel Energie. Davon sind drei Viertel Wärme. Die meisten der Prozesse, die man mit dieser Wärme betreibt, benötigen recht niedrige Temperaturen. Eingemaischt wird zum Beispiel je nach Verfahren bei 35, 45 oder 61°C. Gedarrt wird mit etwa 30 bis 70 Grad, und selbst zum Pasteurisieren braucht man nicht mehr als 70°C. Für die Solaranlage sind die Prozesstemperaturen auch in Mitteleuropa gut zu erreichen. Dafür kann man Vakuumröhren- oder Flachkollektoren verwenden. Konzentratoren braucht man nicht unbedingt. Und obendrein ist der Bierkonsum dann am höchsten, wenn die Sonne warm vom Himmel strahlt, gleich ob im Biergarten oder auf dem Balkon.
Pilotprojekte in Deutschland und Österreich
Die Hofmühl-Brauerei im bayrischen Eichstätt und die Hütt-Brauerei im hessischen Kassel-Baunatal waren die ersten Brauereien in Deutschland, die Solarwärme in ihre Prozesse einbanden. Die beiden Anlagen wurden im Rahmen des Förderprogramms Solarwärme2000plus vom Bundesumweltministerium unterstützt.
Auf zwei Dächern der Hofmühl-Brauerei sind insgesamt 835 Quadratmeter Vakuumröhrenkollektoren installiert. Sie sind mit schwach konzentrierenden Reflektoren (CPC = Compound Parabolic Collector) ausgestattet, sodass sie die Solarwärme-Ringleitung mit 110°C heißem Wasser speisen können. Von dort aus wird zuerst die Flaschenwaschanlage (90°C) versorgt und dann Brau- und Brauchwasser auf 60 bis 90°C erwärmt. Zuletzt kommt die Raumheizung mit 45 bis 65°C an die Reihe. Besonders luxuriös für die Solarplaner: Die Kapazität der Brauerei erlaubt eine gewisse Flexibilität bei den Produktionszeiten – es wird also einfach dann am meisten gebraut, wenn gerade die Sonne scheint. Mit 155 m2 Flachkollektoren ist die Solaranlage in Kassel-Baunatal deutlich kleiner. Sie erwärmt das Brauwasser auf 90°C.
In Österreich arbeitet vor allem das Forschungszentrum AEE INTEC am Thema solare Prozesswärme. Die drei Brauereien Gösser in Göss, Puntigam in Graz und Schladming in Schladming waren am Projekt „Green Beweries“ beteiligt, das August 2009 abgeschlossen wurde. Green Breweries befasste sich allerdings nicht nur mit Solarwärme. Zuallererst ging es stets darum, eine Energiebilanz des Brauprozesses zu erstellen und herauszufinden, wo sich – zum Beispiel durch Wärmerückgewinnung – Energie sparen ließ. Danach folgte die Einbindung Erneuerbarer Energien. Das musste nicht unbedingt Solarwärme sein – auch Biomasse, Biogas und Erdwärme kamen vor. Damit die Beispiele auch anderen nutzen, hat AEE INTEC ein Kompendium und ein Rechentool in Excel erstellt, mit dessen Hilfe die Einbindung von Erneuerbaren Energien in Brauereien leichter gelingen soll.
Planung ist der Flaschenhals
Solche Kompendien, Designratgeber, Fragebögen und Rechenbeispiele erstellt nahezu jede Forschergruppe, die sich mit dem Thema Prozesswärme befasst. Sie sind dringend nötig, denn die Planung von Prozesswärmeanlagen ist ein sehr komplexes Thema und macht einen großen Teil der Kosten aus. Anders als für Kleinanlagen für Häuslebauer gibt es für Prozesswärmeanlagen keine Standardpakete. Auch allgemein gültige Richtlinien zu erstellen, erweist sich als schwierig. Denn selbst innerhalb der selben Branche sehen die Prozesse bei unterschiedlich großen Betrieben oft ganz verschieden aus – bei den meisten noch deutlich mehr als bei Brauereien. „Bei großen Brauereien, die mehr als 1 Million Hektoliter Bier im Jahr produzieren, kann es sich zum Beispiel lohnen, den Treber zu trocknen und in einer Kraft-Wärme-Kopplungsanlage zu verfeuern. Aus dem Brauereiabwasser kann man auch Biogas gewinnen“, erklärt Bastian Schmitt, der beim Kasseler ISET am Projekt SOPREN Potenzialstudien für Solare Prozesswärme erstellt hat und sich schwerpunktmäßig mit Solarwärme in Brauereien befasst. Für kleine Brauereien lohnt sich dieser Aufwand aber selten. Denn außer der Brennstoffaufbereitung muss man auch beachten, dass dafür ein gut ausgebautes Wärmenetz nötig ist, das alle Prozesse versorgt. Hat man das nicht, bringt eher eine direkt an den Prozess angebundene Solaranlage Vorteile.
Heineken steigt ein
Dass Solarwärme nicht nur was für kleine Brauereien ist, zeigt das im Februar angelaufene EU-Projekt Solar-Brew. Im österreichischen Göss und spanischen Valencia will Heineken jeweils eine Solarthermieanlage in Brauereien installieren. Hinzu kommt eine weitere Anlage an einer Mälzerei im portugiesischen Ort Vialonga in der Nähe von Lissabon. Das Projekt wird mit 2,6 Millionen Euro aus dem FP7-Programm der EU gefördert. Das Gesamtbudget liegt bei 4,8 Millionen Euro, dabei werden die Investitionen in die Pilotanlagen mit jeweils 50% gefördert.
Mit dabei ist wieder AEE INTEC aus Österreich, außerdem der Brauereianlagenhersteller GEA Brewery Systems aus Deutschland und die dänische Solarfirma Sunmark. Wie man von einer Großbrauerei erwarten kann, fallen auch die Kollektorfelder an den drei Solar-Brew-Standorten deutlich größer aus als in Eichstätt. Mit 1.470 Quadratmetern Flachkollektorfläche ist die Solaranlage der Göss-Brauerei in Österreich die kleinste im Projekt. Die Brauerei war auch bereits am Projekt Green Breweries beteiligt. Damals wurde die Energieeffizienz im Brauwassermanagement und in der Würzekühlung verbessert. Im Solar-Brew-Projekt geht es noch mehr als bei den vorigen Projekten um die Einbindung der Solaranlage – und um die dafür nötige Anpassung des Prozesses. Denn obwohl die eigentlichen Prozesse nur niedrige Temperaturen benötigen, wird die Wärme oft über ein zentrales Dampfnetz bereitgestellt. Würde die Solaranlage in dieses einspeisen, würde die Effizienz unnötig leiden. Man passt im Solar-Brew-Projekt also nicht die Solaranlage an den Prozess an, indem man konzentrierende Kollektoren einsetzen würde, sondern wo es möglich ist den Prozess an die Solaranlage.
Prozesse an die Solarwärme anpassen
Das geht zum Beispiel bei Einmaischen recht gut. In der Maischpfanne werden Temperaturen von 60 bis 78°C benötigt. Damit diese mit der Solaranlage genauso schnell erreicht werden wie bisher mit dem Dampfnetz, braucht man einen neuen Wärmetauscher. Dieser sitzt nicht auf der Zarge außen an der Maischpfanne, sondern als zusätzliches Wärmeübertragerelement im Pfanneninneren. „Dabei war es wichtig, dass sich der Wärmeübertrager gut reinigen lässt“, erklärt Prozesswärmeexperte Christoph Brunner, der das Projekt seitens der AEE INTEC wissenschaftlich betreut. Etwa 18 Prozent der für das Maischen nötigen Wärme sollen aus der Solaranlage stammen.
Auch in der Brauerei in Valencia wird man etwas umbauen. Dort soll die Solarwärme in den Tunnelpasteur eingespeist werden. Die gefüllten und verschlossenen Flaschen fahren durch einen Tunnel und werden dort auf 60 bis 70°C erhitzt, um Keime abzutöten. Wie die Maischpfanne wird derzeit auch die Pasteuranlage aus einem Dampfnetz beheizt. Auch hier soll ein großer Wärmeübertrager ergänzt werden, um in den 2.580 m2 Flachkollektoren gesammelten Energie in den Prozess einzubinden.
In Vialonga in Portugal dagegen soll die Solarwärme den Trocknungsprozess beim Mälzen unterstützen. Zum Mälzen wird die Braugerste befeuchtet. Sie beginnt zu keimen. Enzyme spalten Stärke in Zucker und komplexe Eiweiße in einfache Aminosäuren. So bereiten sie den Brauhefen leicht verdauliche Nahrung. Manche der Enzyme sind schon im Korn vorhanden, andere entstehen erst beim Keimen. Etwa eine Woche dauert es, bis sie das gewünschte Maß an Stärke in Zucker umgewandelt haben. Dann muss der Prozess gestoppt werden. Das geschieht, indem man die Gerste wieder trocknet. Dabei spricht man vom Darren. Das Darren geschieht mit Hilfe von heißer Luft. Im Laufe des Darrprozesses erhöht man die Temperatur von etwa 30 bis auf etwa 85°C. Je länger und je heißer man die Gerste darrt, desto dunkler wird das Malz für die Bierherstellung.
Die Wärme für das Darren gelangt in Valencia über mehrere Wärmeübertrager in die Zuluft. Die erste Station ist ein Abluftwärmeübertrager. Als nächstes wird Wärme aus einer KWK Gasturbine eingekoppelt, die allerdings nur ausreicht, um die Luft auf etwa 30°C zu erwärmen. Den letzten Kick gibt bisher heißer Dampf. Wenn man die Energiequellen betrachtet, wird schnell klar, dass sich die Solarwärme in diese Rangfolge einordnen muss. Die Solarwärme anstelle der Wärme aus der Abluft zu nutzen, ergibt wenig Sinn. Sie wird stattdessen nach der Turbinen-Abwärme eingekoppelt. So ersetzt sie einen guten Teil des benötigten Dampfes. Insgesamt 18 Prozent der im Mälzungsprozess benötigten Wärme sollen künftig aus der 3.220 m2 großen Solaranlage stammen.
Solarwärme oder Solarbier?
Brauereien – vor allem mittelständische – geben sich gerne Natur verbunden und regional verwurzelt. Abgesehen von der Energieversorgung kann die Solarwärme daher auch einen guten Beitrag zum Marketing leisten. Doch so einfach ist es nicht mit dem „Solarbier“. Denn auch wenn bisher nur eine Hand voll Brauereien Solarenergie wirklich in den Prozess einbindet, schmücken laut Webseite bereits 23 Brauereien ihre Bierflaschen mit einem Solarbier-Label, die meisten davon aus Bayern. Das Label ist ein von der SIMG GbR aus Pfaffenhofen eingetragenes und geschütztes Markenzeichen. Wer es auf seinen Produkten nutzen will, muss einen über zehn Jahr laufenden Lizenzvertrag abschließen. Solarbier steht nicht unbedingt für Sonnenkollektoren auf dem Brauereigebäude. „Für alle dabei zum Einsatz kommenden regenerativen Energieformen steht zusammenfassend als Synonym der markenrechtlich geschützte Begriff „Solar® “, denn alle regenerativen Energien, mit Ausnahme Tiefengeothermie, sind letztlich direkten bzw. indirekten solaren Ursprung“ erläutert Hubert Brandl. Er selbst findet die erneuerbare Stromerzeugung oft sogar sinnvoller als den Einsatz von Solarwärme, da sich die Wärme zu einem großen Teil im Prozess zurückgewinnen lässt.
Aus Erneuerbaren Energien müssen die Brauereien, die das Solarbier-Zeichen beantragen, mindestens jeweils ein Viertel ihrer Wärme und ihres Stroms beziehen. Alternativ können sie je mindestens 80 Prozent des Strom- oder Wärmebedarfs mit Erneuerbaren Energien decken. In den folgenden Jahren müssen sich die Lizenznehmer immer wieder anhand von Benchmarks an ähnlich großen Betrieben messen lassen. Mindestens um 15 Prozent müssen sie ihren Anteil an Erneuerbaren Energien in jeweils fünf Jahren steigern und so nach zehn Jahren mindestens 55 Prozent erreichen.
Die erste und wohl bekannteste Brauerei, die sich in Deutschland mit dem Solarbier-Siegel schmücken durfte, ist Felsen Bräu aus dem Fränkischen Thalmannsfeld. Sonnenkollektoren gibt es dort nicht – stattdessen aber eine Photovoltaikanlage und eine Hackschnitzelheizung. Auf einem Holzgerüst wachsen im Winter zudem Eiszapfen, die im Sommer für die Kühlung verwendet werden. Auch das Bier aus der oben vorgestellten Hofmühl-Brauerei trägt das Solarbier-Label. Die Hütt-Brauerei aus Baunatal sucht man in der Liste der Lizenznehmer allerdings vergeblich.
„Solarbier“ kann also heißen, dass ein Bier mit Solarwärme gebraut wurde, muss aber nicht. Umgekehrt erlaubt die Einbindung von Solarwärme in den Brauprozess alleine noch nicht die Verwendung des Begriffs Solarbier. Und Bio-Bier, wie zum Beispiel Lammsbräu, ist noch einmal etwas anderes. Dort stammen vor allem die Zutaten aus biologischem Anbau. Von Solarenergie ist keine Rede. Darüber, ob das eine oder das andere Bierkonzept nachhaltiger ist, mag man diskutieren – zum Beispiel bei einem Bier. Womöglich ist die Wahl aber einfach eine Geschmacksfrage.
Viel Bewegung in der solaren Prozesswärme
Wie die Anlagengrößen im Projekt Solar-Brew zeigen, liegt in der Prozesswärme für die Solarthermie ein sehr großes Marktpotenzial. In der Studie „Das Potenzial solarer Prozesswärme in Deutschland“ beschreiben Wissenschaftler des Instituts für thermische Energietechnik der Universität Kassel das Potenzial der solaren Prozesswärme für verschiedene Branchen. Dabei gehören die Brauereien zu den Betrieben, in die sich Solarwärme am einfachsten integrieren ließe.
Doch bisher brauchte es stets eine Förderung, meist in einem Forschungsprogramm, um Brauereien zum Einsatz von Sonnenwärme zu ermutigen. Das liegt nicht so sehr an der teuren Anlagentechnik. Mindestens genauso schwer wiegen die hohen Planungskosten und die wenigen Demonstrationsanlagen. Hohe Planungskosten schrecken vor allem die Ingenieurbüros ab – denn stellt sich heraus, dass sich die Solaranlage nicht lohnen wird, bleibt der Auftrag aus und die Arbeit war umsonst. Fehlende Demonstrationsanlagen lassen Investoren zögern – Banken, Contracting-Anbieter und auch die Unternehmen selbst. Das gilt nicht nur für Brauereien, sondern genauso für andere Industrieprozesse. Das Ziel der meisten aktuellen Projekte ist es daher, Daten zur Energie- und Brennstoffeinsparung zu sammeln und diese hinterher anderen Interessenten für die Planung neuer Prozesswärmeanlagen zugänglich zu machen. Denn mit Wärmegestehungskosten um fünf bis sechs Cent pro Kilowattstunde kann sich Solarwärme in Südeuropa schon heute mit fossilen Brennstoffen messen.
Zum Weiterlesen
Potenzialstudie Solare Prozesswärme:
www.solar.uni-kassel.de - Downloads
BINE-Projektinfo 13/10:
Mit solarer Wärme Bier brauen
Bierbrauen – so wird´s gemacht
Wasser, Malz, Hopfen und Hefe – mehr Zutaten braucht man nicht für ein gutes Bier. Auch das Brauen an sich ist recht unkompliziert. Mit einem Bierbrauset für etwa 30 bis 50 Euro kann es jeder zuhause selbst ausprobieren.
Dem Brauen geht das Mälzen voraus: Gerste wird zum Keimen gebracht, beim anschließenden Darren wird das Keimen durch Hitze beendet, das Malz wird getrocknet und geschrotet. Diesen Teil sollte man sich als Hobbybrauer ersparen und fertigen Malzextrakt kaufen.
Erst mit dem Maischen beginnt das eigentliche Bierbrauen. Das geschrotetete Malz wird in etwa 60°C warmem Wasser angesetzt und bis auf etwa 75°C erhitzt. Enzyme setzen dabei Stärke in Zucker um. Anschließend werden der feste Teil – der Treber – und der flüssige Teil der Maische – die Würze – voneinander getrennt. Dieser Vorgang heißt Läutern. Dabei spült man die Würze mehrmals mit heißem Wasser aus dem Treber. Anschließend wird die Würze mit dem Hopfen gekocht. Aus der Würze entfernt man nun noch die Schwebstoffe und kühlt sie auf die gewünschte Gärtemperatur – bei obergärigen Sorten 18°C bis 24°C, bei untergärigen Sorten 8 bis 14°C.
Zum Maischen und Läutern benötigt man besonders viel heißes Wasser. Insgesamt macht die Würzeherstellung im Sudhaus etwa die Hälfte des Wärmebedarfs einer Brauerei aus. Da die Würze am Ende gekühlt werden muss, ist die Wärmerückgewinnung im Sudhaus einer industriellen Brauerei vergleichsweise einfach: Die Wärme aus dem Kühlen reicht ungefähr aus, um das Wasser zum Maischen und Läutern zu erwärmen. Während des Kochens wird oft auch die verdampfte Würze kondensiert und so Wärme zurückgewonnen.
Etwa ein Viertel des Wärmebedarfs in Brauereien macht die Abfüllung aus, denn Fässer und Flaschen müssen vor der Abfüllung gereinigt werden. Weitere Wärmeverbraucher sind andere Reinigungs- und Sterilisierungsprozesse und die Gebäudeheizung.
Wer selbst Bier braut und die Würze mit in der Solaranlage erwärmtem Wasser ansetzt, kann also sein eigenes Sonnenbier herstellen. Mit der Wärmerückgewinnung ist es zuhause allerdings meistens schwierig.
Eva Augsten