Solar Decathlon Europe 2010
Teil 2 Photovoltaik: Der Solar Decathlon Europe ist ein internationaler Architektur- und Innovationswettbewerb, bei dem 20 Studententeams aus aller Welt innerhalb von zwei Jahren einen Prototyp eines Solarhauses entwerfen und bauen, das sich im Juni 2010 zum finalen Contest in Madrid in zehn verschiedenen Wettbewerbskategorien vor einer ausgewählten Fachjury behaupten muss. Bewertet werden Nachhaltigkeit, Innovation, Marktaussichten, Kommunikation, Haustechnik, Wohnqualität, Architektur, Konstruktion sowie zwei Disziplinen, die sich mit der solaren Energiegewinnung beschäftigen – „Solare Systeme“ und „Elektrische Energiebilanz“.
In der Disziplin „Solare Systeme“ gilt es zu beweisen, wie effizient Photovoltaik- und Solarthermie-Anlagen sind. Die Fachjury wird deren Konzeption, Ausführung und Funktionalität ebenso prüfen wie die Zugänglichkeit für Wartungen und Reparaturen. Außerdem achten die Juroren darauf, ob das Haus genügend elektrische und thermische Energie produziert, um sich selbst zu versorgen: Von den Teams durchgeführte Jahressimulationen unter madrilenischen Bedingungen müssen darüber einen Nachweis erbringen.
Im Contest „Elektrische Energiebilanz“ werden in der Wettbewerbswoche die erzeugten und verbrauchten Energiemengen vor Ort messtechnisch erfasst. Anhand dieser Messwerte werden in drei verschiedenen Teilwettbewerben Punkte verteilt:
- Das Erreichen der geforderten positiven Bilanz am Ende der Woche,
- der Grad der Energieautarkie und
- die Gleichzeitigkeit von Erzeugung und Verbrauch.
Die meisten Punkte entfallen dabei auf die erste Teildisziplin, bei der vorausgesetzt wird, dass jedes Team vom 18. bis 27. Juni 2010 zwischen 20 und 40 kWh mehr Strom generieren kann, als es in diesem Zeitraum verbraucht. Effiziente PV-Anlagen sind demnach genauso wertvoll wie sparsame Verbraucher.
Im Folgenden stellen die vier deutschen Wettbewerbsteilnehmer aus Berlin, Rosenheim, Stuttgart und Wuppertal ihre Erzeugerkonzepte vor. Darin erklären die Teams, welche Anlagen verwendet wurden, welche Nennleistung installiert ist und wie sie die PV-Anlagen in ihre Häuser integriert haben.
HTW Berlin
Das Team Berlin produziert seinen Strom mit zwei Photovoltaik-Anlagen – eine ist als Aufdach-PV-Anlage ausgeführt, die zweite in den Sonnenschutz vor Süd- und Westfassade integriert. Den Großteil der Jahreserzeugung wird die auf der Südseite des Satteldaches installierte PV-Anlage liefern, die vom Berliner Modulhersteller Solon SE gesponsert wird. Die Südausrichtung und der Neigungswinkel von 28,7° ermöglichen größtmögliche Ertragsausbeute, insbesondere in mediterranen Breitengraden. Die 4,6?kWp starke Anlage besteht aus 34 monokristallinen Modulen aus der Design Line von Solon, die rahmenlos und ganz aus schwarzen Komponenten gefertigt sind. Zudem geben sie durch ihre quadratische Grundform der Fassade eine Rasterung, die in Verbindung mit der einheitlich dunklen Farbgebung ein homogenes Erscheinungsbild der Gebäudehülle gewährleistet.
Neben der dachintegrierten Anlage verfügt das Berliner Solarhaus zusätzlich über Verschattungselemente mit integrierter PV vor den Fenstertüren im Süden und Westen des Hauses. Sonnenschutz und photovoltaische Energiegewinnung ergänzen sich gut in Zeiten hoher Einstrahlung. Daher wurde ein eigener, an den Entwurf angepasster Sonnenschutz in Zusammenarbeit mit der Firma Colt entwickelt, der als Faltladensystem ausgeführt ist. Die motorbetriebenen Lamellen können einstrahlungs- sowie nutzergesteuert auf- und zugefahren werden. Aus ästhetischen Gründen sowie aufgrund des geringen Gewichts kommen maßgeschneiderte Kunststoffsolarmodule der Sunovation GmbH zum Einsatz. 20 monokristalline Q-Cells-Zellen pro Modul sind zwischen zwei Plexiglas®-Scheiben eingelassen und liefern ca. 70?Wp (Gesamtanlage: 1,1 kWp).
Alles in allem können während eines Jahres in Madrid mehr als 8.000 kWh Strom erzeugt werden, mehr als doppelt so viel, wie von einem 2-Personen Haushalt benötigt würde. In Berlin wird mit einem Jahresertrag von 5.300 kWh gerechnet. Um den Autarkiegrad des Hauses zu erhöhen, wird das Berliner Team recyclebare Blei-Gel Batterien mit 770 Ah bei 48 V installieren, die von den Batteriewerken BAE Berlin gesponsert werden. Durch den Einsatz solcher Batteriesysteme wird das Stromnetz entlastet. Hinsichtlich der verbesserten Eigenverbrauchsregelung im EEG soll deren Wirtschaftlichkeit untersucht werden.
FH Rosenheim
Das Team der Hochschule Rosenheim verwendet eine der leistungsstärksten Anlangen von SunPower. Von außen unsichtbar sind diese mit einem geringen Neigungswinkel von etwa 3° auf dem Dach installiert. Dabei wurde der leicht verminderte Ertrag aus gestalterischen Aspekten bewusst in Kauf genommen. Trotz der fast waagerechten Ausrichtung, ist diese Neigung ausreichend, um einerseits den Ablauf des Regenwassers zu gewährleisten und andererseits die Funktion der Strahlungskühlung zu nutzen. Durch eine aufgeständerte Installationsweise und den Abstand zur Dachfläche, findet zudem eine natürliche Hinterlüftung statt.
Das ausgewählte Modul der Firma Sunpower besteht aus 96 monokristallinen Zellen von denen 40 Module zum Einsatz kommen. Nach Herstellerangaben werden 193 Wattpeak/m2 erreicht. Dies entspricht der doppelten Leistung von Dünnschichtsolarzellen, bei denen übliche Werte von 90 Wp/m2 erzielt werden. Durch die Auswahl der Serie 315 ergeben sich auch bei Teilauslastung durch geringe Sonneneinstrahlung sehr gute Energiegewinne. Besonders wichtig ist dies für das Einsatzgebiet Deutschland. Der Systemnutzungsgrad liegt bei 14,9% und nach Berechnungen liegt der Jahresertag für den Standort Madrid bei 16.500 kWh. Das entspricht etwa dem vierfachen Energieeintrag gegenüber dem Verbrauch. Ein weiteres Augenmerk liegt dabei in der Einsparung an CO2-Emissionen mit jährlich 14.600?kg/a. Die Anlage ist insgesamt auf einen Netzgekoppelten Betrieb ausgerichtet. In Madrid wird ein hoher Energiebedarf für die Klimatisierung benötigt. Mithilfe von Strahlungskühlung und Verschattung der Südfassade werden die Verbräuche so weit wie möglich minimiert.
HFT Stuttgart
Die Energiehülle des Stuttgarter Hauses home+ liefert nicht nur Strom, sondern verleiht dem Gebäude auch ein charakteristisches Erscheinungsbild. Großformatige PV-Module bilden eine zweite Haut, die sich mit einem kleinen Abstand um die vier Raummodule legt. In diesen rahmenlosen Glas-Glas-Modulen sind kristalline PV-Zellen mit einer Größe von 156?x?156?mm und einem Abstand von etwa 5–6 ?mm verlegt. Durch den Abstand der Zellen und die dahinter durchscheinende helle Oberfläche der Raummodule, sowie durch eine minimierte Unterkonstruktion erhält die Energiehülle einen leichten und filigranen Charakter.
Gesteigert wird dies noch durch die Verwendung von gold- und bronzefarbenen polykristallinen PV-Zellen an den Fassaden und in Teilbereichen des Daches. So werden im unteren Bereich der Fassaden ausschließlich goldfarbene Zellen verwendet, die sich dann in Richtung des oberen Fassadenbereiches mehr und mehr mit bronzefarbenen Zellen mischen. Diese Aufpixelung zieht sich über die Dachkante hinweg fort und bildet einen weichen Übergang zu den im mittleren Dachbereich liegenden PV-Modulen mit schwarzen monokristallinen Zellen.
Der Zellwirkungsgrad der gold- und bronzefarbenen polykristallinen Zellen liegt jeweils bei etwa 13%. Dies ermöglicht es auch, sie ohne Verluste in ein und demselben Modul zu verbauen. Der Zellwirkungsgrad der schwarzen monokristallinen Zellen auf dem Dach liegt bei etwa 17%. Die installierte Gesamtleistung liegt bei etwa 12 kWp (6 kWp an den Fassaden Ost und West, 6 kWp auf dem Dach), der zu erwartende jährliche Stromertrag für den Standort Madrid bei 11.500 kWh. Die Zellen, sowie die Wechselrichter werden von der Firma Sunways zur Verfügung gestellt.
Die Glas-Glas-Module werden von der Firma Ertex Solar hergestellt und gesponsert. Mit einer Breite von etwa 1,20 m und einer Höhe von etwa 3,0 m haben die PV-Module an den Fassaden dabei die größten Abmessungen. Neben der Größe stellt bei diesen Modulen auch die Verlegung der verschiedenfarbigen Zellen nach einem vorgegebenen Muster eine technische Herausforderung dar. Für die äußeren Glasscheiben der PV-Module an den Fassaden werden außerdem entspiegelte Gläser von der Firma Centrosolar beigestellt, die verhindern, dass das Schillern der polykristallinen Zellen durch Spiegelungen auf den Gläsern überdeckt wird.
Die PV-Module mit monokristallienen Zellen auf dem Dach werden auf ihrer Rückseite mit Leitblechen und Rohrschlangen versehen. Durch diese wird nachts Wasser geleitet, das sich über die Abstrahlung der Moduloberflächen gegen den Nachthimmel abkühlt und für die Kühlung des Gebäudes verwendet werden kann. Diese Doppelnutzung der PV-Flächen ist gerade für heiße Regionen mit hohem solaren Energieeintrag, also auch gleichzeitig hohem Kühlbedarf, ein vielversprechendes Konzept, dass am Haus der HFT Stuttgart getestet werden soll.
Bergische Universität Wuppertal
Das Team der Bergischen Universität Wuppertal erreicht mit seinem Konzept des „Europäischen Hauses“ als Plusenergiehaus über die Deckung des eigenen Strombedarfs hinaus standortabhängig einen mehr oder weniger deutlichen Überschuss an Solarstrom, der ins öffentliche Netz eingespeist wird. Da es sich bedingt durch das Wettbewerbsreglement um ein „Nur-Strom-Haus“ handelt, kann der Nachweis einer Jahresplusenergiebilanz mit einfachen Mitteln erfolgen.
Eine besondere Herausforderung zur Realisierung der ausgeglichenen Strombilanz während der Wettbewerbsphase stellen spezielle Anforderungen dar, wie beispielsweise erhöhte Laufzeiten der Haushaltsgeräte, die hohe technische Ausstattung auf kleinstem Raum sowie Innenraumtemperaturen von maximal 25° im spanischen Sommer. Umgesetzt wird dies einerseits durch eine Minimierung des Haushaltsstrombedarfs durch den Einsatz von best-practice Geräten und innovativer LED-Technik, andererseits durch energetische Optimierungen und die Integration von solaraktiven Flächen innerhalb der Gebäudehülle.
Die eigene Stromerzeugung erfolgt hauptsächlich über 27 Standardgroßmodule. Diese werden auf einer Fläche von 40 m2 in das Flachdach mit 3° bzw. 6° Neigung integriert und sorgen für knapp 70% des jährlichen Stromertrags in Madrid. Dahingegen stellt die „Solarwand“ das auffälligste architektonische Merkmal des Gebäudes dar. Auf einer Fläche von knapp 30 m2 verdeutlichen speziell designte PV-Module als Vorhangfassade das Leitbild des Gebäudes. Durch die Kombination unterschiedlicher Zellentypen – blaue polykristalline und schwarze monokristalline Zellen – mit transparentem Rückseitenlaminat kann ein individuelles Bild erzeugt werden.
Insgesamt wird mit beiden Flächen eine Leistung von über 10 kWp bereitgestellt. Sowohl die Module der Aufdachanlage wie auch die Entwicklung und Sonderanfertigung der Fassadenmodule stammen von der SolarWorld AG.
Die Netzintegration der PV-Anlagen erfolgt über Wechselrichter des Herstellers SMA. Als Besonderheit besitzt das Gebäude einen kleinen Batteriesatz für Tag/Nachtpufferung, der über einen separaten Wechselrichter eingebunden wird. Das Energiemanagement ist so ausgelegt, dass ein möglichst hoher Anteil des Stromverbrauchs aus eigenem Solarstrom gedeckt wird. Während dies ohne Batteriepufferung rechnerisch in der Jahressumme im Klima Madrids nur zur Hälfte gelingt, steigert der Batteriesatz diesen Anteil auf über 95%. Vorteilhaft ist insbesondere die nächtliche Stromversorgung aus der Batterie. Während der 10 tägigen Wettbewerbsphase wird das Gebäude unter optimalen Bedingungen ganz ohne Netzstrombezug auskommen und einen deutlichen Überschuss einspeisen.
Dieser Ansatz soll nicht nur in Gebieten mit hoher Solarstrahlung funktionieren, sondern auch mit geringfügigen Anpassungen am finalen Standort Wuppertal. Hier kann der Stromverbrauch bis zu über 85% innerhalb eines Jahres durch Solarstrom gedeckt werden.
Matthias Schwärzle