Wärme satt ins Haus
Sonnenhäuser auf dem Prüfstand: Die Begrifflichkeiten für Gebäude der Zukunft sind nicht gerade leicht verständlich. Gebäudetypen, die sich mehr oder weniger selbst um die benötigte Energie Weise kümmern, gibt es viele. So gibt es das Nullenergiehaus, das Plusenergiehaus, das Nullemissionshaus, oder auch ganz aktuell das Effizienzhaus Plus. Allen diese Gebäude haben eine Gemeinsamkeit: Es geht weniger um Energieautonomie, sondern vielmehr um positive Energie- bzw. Emissionsbilanzen. Meist wird über den Zeitraum eines Jahres betrachtet bilanziert.
Aus dieser Systematik heraus ist auch der Begriff eines Netto-Nullenergiehauses entstanden. Die Idee des Sonnenhauses ist dagegen eine andere. Bei diesen Gebäuden steht ein möglichst hoher Autarkiegrad, zunächst auf der Wärmeseite, im Vordergrund. Zudem ist der Fokus auf den Jahres-Primärenergiebedarf und die Minimierung des fossilen Energieeinsatzes gerichtet. Nachdem mittlerweile mehr als 1.300 dieser „weitgehend solar beheizten Gebäude“, auch als SolarAktivHäuser bezeichnet, den Praxistest erfolgreich bestanden haben, untersucht ein Forschungsprojekt seit 2010 dieses Gebäudekonzept erstmals systematisch. Mittlerweile liegen erste Messergebnisse vor. Eine wissenschaftliche Bewertung des Konzepts ist damit sicherlich noch nicht möglich, aber so die Forscher: „die Funktionsweise des „SolarAktivHaus-Konzepts“ konnte grundsätzlich bestätigt werden“.
Sieben von Neun Gebäuden in Süddeutschland
In dem Projekt werden neun Gebäude, verteilt auf Deutschland, untersucht. Dabei wurde versucht die ungleichen klimatischen Randbedingungen sowie die unterschiedlichen Bautypen von SolarAktivHäuser abzubilden. Eine gute Verteilung der Messobjekte über die Fläche der Bundesrepublik ist jedoch nicht gelungen. Vier Gebäude stehen in Baden-Württemberg, drei in Bayern. Bei lediglich einem Referenzhaus in Niedersachsen (Braunschweig) und einem in Sachsen (Freiberg) decken die Standorte nicht die ganze Bandbreite deutscher Witterungszonen ab. Sechs der untersuchten Gebäude sind Einfamilienhäuser (EFH), drei Mehrfamilienhäuser (MFH). Zwei der drei MFH stehen in Bayern, eines in Baden-Württemberg.
Umfangreiche Messung
Sonnenhäuser sind bekanntlich solarwärmelastig konzipiert, die solarthermische Anlage ist der bestimmende Faktor für die Energiebilanz. Folglich werden bei HeizSolar vor allem die Temperaturen und Wärmeströme rund um das Herz der Solaranlage, dem großen Solarspeicher, bemessen. Dabei wurden die Messstellen für die Wärmemengenzähler möglichst nahe der entsprechenden hydraulischen Be- und Entladeanschlüsse positioniert. Wenn möglich verwendete man dabei Temperaturfühler in Tauchhülsen bzw. an der Außenwand des Speichers anliegende Fühler. Somit ist es möglich eine recht exakte energetische Bilanzierung der solarthermischen Wärmeversorgungsanlage zu erhalten. Neben den Temperaturen und Wärmemengen werden noch die Einstrahlung in Kollektorebene, der Stromverbrauch der Wärmeversorgung, sowie der Systemdruck und die Raumtemperaturen gemessen. Ist eine Photovoltaikanlage vorhanden, ist diese auch Teil der Messwerterfassung. Um auch eine vollständige primärenergetische Bewertung zu ermöglichen, wurde zudem das Gewicht der in den Feuerungsstätten umgesetzten Biomasse erfasst. Eine beispielhafte Darstellung der installierten Messtechnik verdeutlicht Bild 2.
Einen Einblick in die verschiedenen Phasen der Wärmeerzeugung über das Jahr hinweg zeigt Bild 3. Anhand typischer Werte werden hier die vier charakteristischen Phasen verdeutlicht.
- Phase 1 – Entladung des Wärmespeichers: Nach Beginn der Heizperiode kann der Wärmeverbrauch vollständig mit erzeugter bzw. gespeicherter Solarwärme gedeckt werden.
- Phase 2 – Zusatzwärmeerzeugung: Der Speicher ist größtenteils entladen und die zur Verfügung stehende Solarwärme reicht zur dauerhaften Deckung des ansteigenden Wärmeverbrauchs nicht mehr aus. Es muss zusätzliche Wärme erzeugt werden.
- Phase 3 – Beladung des Wärmespeichers: Das zunehmende Solarstrahlungsangebot und der rückläufige Wärmeverbrauch des Gebäudes ermöglichen wieder eine vollständige Deckung mit Solarwärme. Des Weiteren wird der Speicher in dieser Phase wieder beladen.
- Phase 4 – Solarer Überschuss: Der Speicher ist vollständig thermisch beladen und es steht deutlich mehr Solarwärme zu Verfügung als verbraucht und zur Deckung der Wärmeverluste des Speichers benötigt wird.
Ermittlung der Kenngrößen
Um die untersuchten Gebäude bewerten und letztendlich auch vergleichen zu können, wurden aus den Messgrößen im wesentlichen drei Kenngrößen erzeugt: Der solarthermische Deckungsanteil, der solarthermische Nutzungsgrad sowie die Arbeitszahl der Wärmeerzeugung.
Der solarthermische Deckungsanteil fsol,th gibt den Anteil der solarthermisch erzeugten Nutzwärme am Gesamtwärmeverbrauch an. In die Berechnung fließen ein: Der Nutzwärmeverbrauch für den Heizkreis (der QHK,nutz), der Nutzwärmeverbrauch für Trinkwarmwasser und Zirkulation (QTW,nutz), die vom Zusatzwärmeerzeuger erzeugte Nutzwärme (QZusatz,nutz) und die vom Kollektor erzeugte Nutzwärme (Qsol,nutz) ein.
Der solarthermische Nutzungsgrad hsol,th oder auch Nutzungsgrad des solarthermischen Wärmeerzeugers beschreibt den Anteil der solarthermisch erzeugten Nutzwärme zu der zur Verfügung stehenden Strahlungsenergie. In die Berechnung fließen ein: Die Strahlungsenergie in der Ebene des Sonnenkollektors (Gsol) sowie die zur Verfügung stehende Aperturfläche des Sonnenkollektors (AKoll,a).
Die Arbeitszahl der Wärmeerzeugung AZErz,th gibt das Verhältnis zwischen der von der solarthermischen Wärmeversorgungsanlage gelieferten Nutzwärme und dem dafür benötigten Stromverbrauch an. In die Berechnung fließen ein: Die Stromverbräuche des solarthermischen Wärmeerzeugers (Eel,STWE) und des Zusatzwärmeerzeugers (Eel,ZWE), beide in.
Der Nutzer und das Klima
Zum aktuellen Zeitpunkt liegen bei fünf Gebäuden Messdaten für ein komplettes Jahr (2012) vor, bei zwei Gebäuden decken die Aufzeichnungen noch kein ganzes Jahr ab. Bei den übrigen beiden Gebäuden sind die Messwerte nicht aussagekräftig. In der Tabelle 1 sind alle für den Heizwärmebedarf der Gebäude relevanten Größen nach EnEV sowie der bisher verfügbaren Messergebnisse der untersuchten Gebäude dargestellt.
Um fundierte Aussagen bezüglich Bewertung und Vergleich der einzelnen Gebäuden treffen zu können, müssen die Gebäude sicherlich mehrere Jahre bemessen werden. Zudem ist zu beachten, dass das erste komplette Messjahr 2012 nicht gerade typisch war. Am Beispiel zweier, nicht im Messprogramm enthaltener, Sonnenhäuser wird das sehr deutlich. So mussten die Bewohner eines als Ganzjahressolarhaus in Franken, welches für einen solarthermische Deckungsanteil von 0,9 ausgelegt ist, im Winter 2012/2013 mehr als die doppelte Menge an Biomasse als im Vorjahr zuheizen. Kam man zunächst mit gut einem Ster Hartholz aus, waren im letzten Winter knapp drei Ster nötig. Ein weiteres Beispiel stellte Sonnenhaus-Technikplaner Wolfgang Hilz auf dem letzten HeizSolar Experten-Workshop in Mannheim Ende März vor. Ein Einfamilien-Sonnenhaus in Renningen1) benötigte im Winterhalbjahr 2011/2012 als Zusatzheizung 940 kg Holz, was einer Heizleistung von 2.770 kWh entspricht. Im folgenden Jahr waren es mit ca. 4.000 kWh ( = 1.360 kg Holz) gut 45 % mehr. Hilz stellte dazu fest: „Das Sonnenhaus lebt von der Wintersonne“. Sie habe, so seine Erfahrung, einen weit größeren Einfluss auf das Gesamtergebnis als die mittlere Außentemperatur. Zudem hänge das Strahlungsangebot nicht nur vom Standort ab, sondern variiert erheblich von Jahr zu Jahr. Da auch das unterschiedliche Nutzerverhalten, und nicht bemerkte oder vorübergehende Mängel in der Anlagen- und Messtechnik einen großen Einfluss haben, seien selbst Messungen über zwei bis drei Jahre noch nicht repräsentativ. Das beträfe im Übrigen auch die in der Simulations-Software hinterlegten, zumeist interpolierten Meteonorm-Wetterdaten. Sein Fazit: In extremen Wetterjahren können die tatsächlichen Deckungsgrade und Verbräuche um mehr als 50 % vom Simulationsergebnis abweichen.
Unabhängig von der vermeintlich unsicheren Datenlage haben alle im HeizSolar-Projekt erfassten Gebäude bislang den erwarteten solarthermischen Deckungsanteile von mehr als 50 % erreicht. Sie erfüllen somit die in dem Begriff „weitgehend solar beheiztes Gebäude“ enthaltene Definition ohne weiteres. Bei einem der Gebäude konnte gar das „Ideal“, ein solarthermischer Deckungsanteil von 1 (100 %, keine Zusatzheizung) erreicht werden. In einer ersten Analyse stellte man bei HeizSolar, wie schon Hilz fest, dass die beheizte Fläche bzw. der Dämmstandard des Gebäudes als Bezugsgröße hinsichtlich des Heizwärmeverbrauchs für eine vollständige Bewertung nicht ausreicht. Die klimatischen Randbedingungen und das Nutzerverhalten, so ein erstes Ergebnis, spielen eine große Rolle. Für die angestrebte detaillierte Analyse müssen alle Randbedingungen erfasst werden.
Ergebnisse bei den Kenngrößen
In Tabelle 1 sind die ermittelten Werte für den solarthermischen Deckungsanteil aufgeführt. Mit welchem ökonomischen bzw. ökologischen Aufwand dieser erreicht wurde, kann mittels der zweiten Kenngröße, dem solarthermische Nutzungsgrad, abgeschätzt werden. Er gibt einen Hinweis darauf, wie viel der zur Verfügung stehenden Solarenergie tatsächliche zur Deckung des Wärmebedarf genutzt wurde. Die entscheidende Einflussgröße für die unterschiedlichen Nutzungsgrade sind die Betriebsbedingungen, die doch recht unterschiedlich sind. Je nach Speichergröße, Warmwasserverbrauch und der Fähigkeit die gespeicherte Wärme zur Deckung des Wärmeverbrauchs nutzen zu können ergeben sich deutliche Unterschiede.
Ausblick
Die Autoren des auf dem 23. OTTI-Symposium Thermische Solarenergie veröffentlichten Manuskripts „Messtechnische Analyse von neun SolarAktivHäusern“ sprechen sich klar für weitere Untersuchungen aus. Besonders eine primärenergetische Betrachtung der
SolarAktivHäuser halten sie für notwendig. Vertiefende Analysen vom Betriebs- und Regelverhalten, sowie die Ermittlung von Einflüssen durch nicht direkt messbare Größen, wie die von passiven solaren Gewinnen, ist wesentlich. Im nächsten Schritt müssen zudem Simulationen des dynamischen Verhaltens der Wärmeversorgungsanlagen durchgeführt werden. Mittelfristig, so die Autoren, ist es zudem wichtig, Lösungen zu finden, um das SolarAktivHaus-Konzept auch auf Gebäude im Bestand übertragen zu können.
Fußnoten
1) Geographische Lage: 35 km westlich von Stuttgart, 410 m üM, Bruttovolumen: 975 m3 / 725 m3, EnEV-Nutzfläche: 312 m2 / 232 m2, Wohnfläche (ohne UG): 180 m2, Messzeitraum: 2010/11 – 2013/3
Quellen
Messtechnische Analyse von neun SolarAktivHäusern
Kobelt, Bestenlehner, Drück, Oliva, Stryi-Hipp, Müller, Bühl, Rubeck
OTTI – 23. Symposium: Thermische Solarenergie
HeizSolar, Expertenworkshops 1 bis 3
www.diesolarheizung.info/downloads
OTTI - Viertes Symposium: Aktiv-Solarhaus
HeizSolar
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE arbeitet seit September 2010 in Zusammenarbeit mit der Solar- und Wärmetechnik aus Stuttgart, der Technischen Universität Ilmenau sowie dem Sonnenhaus-Institut an dem Projekt HeizSolar. In der gemeinsamen Arbeit werden Wohngebäude, deren Heizenergiebedarf zu 50 % bis 100 % mit thermischer Solarenergie bereitgestellt wird, untersucht. Zielstellung ist dabei, das Versorgungskonzept des solarthermischen Heizens wissenschaftlich zu fundieren und mit den gewonnenen Messdaten aus neun typischen Wohngebäuden ein Simulationsmodell zu kalibriert. Dieses Modell stellt die Grundlage für das Erarbeiten von Optimierungspotenzialen dar. Weiterhin werden Bewertungskriterien für diese Gebäude erstellt, um sie in das aktuelle Marktgeschehen bezüglich anderen CO2-reduzierten Wärmeversorgungskonzepten einzuordnen.
Matthias Hüttmann