Vom Hausbesitzer zum Hausnetzbetreiber
Teil 2. Vom Recht zur eigenen Messung zum Smart Meter: Strom wird zukünftig so billig sein, dass es sich nicht lohne, den Verbrauch überhaupt zu messen, versprach die Atomlobby vor rund 60 Jahren. Doch heute ist Strom keineswegs „too cheap to meter“, ganz im Gegenteil: Einige wenige Netzbetreiber überziehen kleine PV-Anlagenbetreiber mit Horrorrechnungen für Stromzähler zur StandBy-Verbrauchserfassung von Wechselrichtern und selbst einfache Letztverbraucher sind verunsichert, was für Kosten die kommenden Smart Meter bescheren werden.
Stunde der Pioniere
Wer etwas liefert, dem obliegt das Wiegen und Messen. Auf diesen Grundsatz gestützt begannen die Betreiber kleiner PV-Anlagen und stromerzeugender Heizungen vor rund 15 Jahren einfach mit eigenen Zählern ihre Einspeisung zu messen und der Gesetzgeber sprach ihnen dieses Recht später sogar ausdrücklich zu (§ 8 Abs. 1 KWKG 2002), oder sah eine Einspeisungsmessung durch Netzbetreiber zumindest nur als eine Alternative an (§ 13 Abs. 1 EEG 2004). Für die Netzbetreiber war die Messung zudem lange Zeit nur ein notwendiges Übel zu durchlaufenden Kosten. Erst Bestrebungen des Gesetzgebers, nicht nur die Energielieferung, sondern auch die Messung zu liberalisieren und die beginnende Debatte um „Smart Meter“ führten zur Entdeckung des Messwesens als einträgliches Geschäftsmodell. Ab 2007 musste sich die Clearingstelle EEG daher mehrfach mit der von Netzbetreibern aufgeworfenen Frage befassen, ob Einspeiser ohne besondere Fachkundeprüfung überhaupt selbst messen können und dürfen. Das Ergebnis war wenig überraschend: „Alle des Lesens und Schreibens kundigen Menschen“ seien „fachkundig zur Messung, d.h. zum Ablesen der Messwerte in Kilowattstunden“ von einfachen Stromzählern, befand die Clearingstelle (Az. 2008/20, 2011/2/2, 2012/7).
Messung als Geschäftsmodell
Mit der Einfügung von § 21 b in das Energiewirtschaftsgesetz im Jahr 2005 wurde erstmals ein grundlegender Rechtsrahmen für ein eigenständiges Messwesen geschaffen. In der Praxis sahen sich die ersten freien Messstellenbetreiber jedoch mit über 800 Netzbetreibern konfrontiert, die jeweils unterschiedlichste Verträge und Prozesse durchsetzen wollten. Erst mit der Messzugangsverordnung (MessZV) von 2008 und sehr detaillierter Vorgaben für Wechselprozesse (WiM) sowie verbindlicher Rahmenverträge durch die Bundesnetzagentur (Az. BK6-09-034) konnte sich ab 2010 überhaupt ein freier Markt im Bereich des Messwesens entwickeln. Doch viele dieser Angebote eignen sich nicht für die Besitzer von PV-Anlagen: So erlangte der Stromversorger Yello mit seinem „Sparzähler“ zwar schnell große Aufmerksamkeit, kann jedoch bis heute nicht als unabhängiger Messstellenbetreiber betrachtet werden, da die Smart Meter von Yello wie auch von E.ON, EnBW und vielen regionalen Anbietern an eine Stromlieferung mit überteuerten Tarifen gekoppelt sind und für die Betreiber einer Erzeugungsanlage nicht angeboten werden.
Unabhängige Messstellenbetreiber
Dabei bietet der aktuelle Rechtsrahmen viel Raum für Innovationen: Freie Messstellenbetreiber können nämlich unabhängig von den „Technischen Anschlussbedingungen“ der Netzbetreiber selbst die „Art, Zahl und Größe von Mess- und Steuereinrichtungen“ bestimmen (§ 8 Abs. 1 MessZV). Freie Messstellenbetreiber sind daher in der Lage neuartige Messlösungen zu realisieren, denen sich die eher unflexiblen Netzbetreiber nicht annehmen würden. So lässt beispielsweise die Telekom durch ihr Tochterunternehmen „PASM“ deutschlandweit tausendfach besonders kleine Hutschienen-Stromzähler in DSL-Verteilerkästen am Straßenrand betreiben, die bestückt mit normal großen Stromzählern um ein Vielfaches größer ausfallen müssten. Ähnlich verfuhr LichtBlick bei seinen ZuhauseKraftwerken: Statt bei Kunden große und teure Zählerschränke an die Hauswand zu schrauben, verbaute der unternehmenseigene Messstellenbetrieb die Zähler einfach direkt ab Werk in die BHKW-Schaltkästen.
Wettbewerbsverhinderung
Der Grund für das Ausbleiben eines Wettbewerbs im Messwesen für kleine PV-Anlagen hingegen liegt vermutlich nicht an fehlenden Margen für die eigentliche Dienstleistung, sondern viel mehr an einer Wettbewerbsverhinderungspolitik der Platzhirsche: Denn nicht nur selbst messende PV-Anlagenbetreiber, denen sogar die Kompetenz zum Ablesen einfacher Stromzähler abgesprochen werden sollte, sondern auch verbraucherorientiert handelnde freie Messstellenbetreiber erhalten Gegenwind von Netzbetreibern, die um ihre Vormachtstellung im Zählbusiness bangen. So versuchen einzelne Netzbetreiber mit immer neuen Argumenten die Tätigkeit freier Messstellenbetreiber zu behindern, kassieren dafür aber regelmäßig Niederlagen (BNetzA BK6-06-071, BK6-11-113 und BK6-11-113). Einige Messstellenbetreiber berichten sogar von einfach durch Netzbetreiber wieder ausgebauten Zählern oder einschüchternden Kontrollbesuchen bei den Kunden freier Messstellenbetreiber. Gegen einen besonders dreisten Netzbetreiber wehrte sich erst kürzlich der Hamburger Ökostromanbieter LichtBlick erfolgreich vor dem Bundesgerichtshof: „Unser LichtBlick-Wärme-Kunde wurde durch das rechtswidrige Verhalten eines Netzbetreibers irritiert und belästigt. Der BGH hat jedoch letztendlich unsere Position als Messstellenbetreiber vollumfänglich bestätigt“, kommentierte LichtBlick-Pressesprecher Ralph Kampwirth den Ausgang des Verfahrens (BGH EnVR 45/13).
Abzocke bei PV-Volleinspeisung
Auch um die Kreation neuer Einnahmequellen aus dem Nichts sind einige Netzbetreiber nicht verlegen: Bis vor einigen Jahren wurden kleine PV-Anlagen typischerweise so errichtet, dass der gesamte erzeugte Strom in das Netz eingespeist wird. Wird kein Strom vom PV-Generator erzeugt, kann je nach Wechselrichter theoretisch ein geringer Eigenverbrauch bestehen. Dieser Verbrauch liegt allerdings unterhalb der Anlaufstromstärke und Genauigkeitsanforderungen für Messungen entsprechend MID MI-003, DIN EN 50470 und VDE 0418. Daher einigten sich Interessenvertreter von Netz- und Anlagenbetreibern im Einvernehmen mit dem Bundesfinanzministerium im Rahmen mehrerer Empfehlungen der Clearingstelle EEG darauf, die Einspeisung mit nicht rücklaufgesperrten 1-Richtungs-Zählern zu erfassen. Seit Kurzem bauen einige wenige Netzbetreiber diese bestehenden Zähler aus und neue 2-Richtungs-Zähler ein – die PV-Anlagenbesitzer sollen dann zwischen 60 und 300 Euro im Jahr für eine unsinnige zusätzliche Messung und die theoretische Strombezugsmöglichkeit zahlen.
Mögliche Gegenwehr
Sofern das neu installierte Bezugszählwerk dauerhaft 0 kWh anzeigt, ist die Rechtslage aus Sicht der Schlichtungsstelle Energie eindeutig: Es besteht kein Anspruch seitens des Netzbetreibers (Az. 4977/12 und 4615/13)...
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Louis-F. Stahl