Sonnenenergie statt graue Energie
Sanieren ist das neue Bauen: Die Herstellung eines Autos verbraucht erhebliche Mengen an Rohstoffen, Wasser und Energie. Allein der gemittelte Energiebedarf der Produktion von 30.000 kWh entspricht in etwa dem Strombedarf eines Durchschnittshaushalts für 10 Jahre. Je nach dem wo man nachliest, sind die Zahlen etwas anders. Beispiel Wasserverbrauch: Greenpeace rechnet mit 20.000 l für einen Mittelklassewagen, der Spiegel kommt auf 226.000 l, die Wasserwirtschaft hält gar 380.000 l für notwendig. Dieser Text beschäftigt sich auch nicht mit Autos, das Beispiel soll lediglich helfen die Problematik der Ressourceneffizienz darzustellen.
Sofort komplett umstellen auf Elektroautos?
Um bei dem Beispiel zu bleiben: Alle Verbrauchsgegenstände laden sich durch ihre Produktion bildlich gesprochen einen Rucksack auf. Zur Verdeutlichung dient oft die energetische Amortisationszeit. Noch nicht so häufig wird der CO2-Rucksack bilanziert. Beispiel Elektroauto: Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren spielt bei ihnen die benötigte Energiemenge zur Herstellung der Batterien eine größere Rolle. Laut Heidelberger IFEU-Institut kann man für eine kWh Batteriekapazität etwa 125 kg CO2-Emissionen ansetzen. Bei der Produktion eines Stromspeichers mit 24 kWh fallen somit etwa drei Tonnen CO2 an. Dagegen sind die anfallenden Emissionen beim Bau eines Elektromotors geringer. Die Folge: Das E-Auto muss über eine bessere Fahremissionsbilanz rund 2,74 Tonnen CO2 kompensieren. Das bedeutet: Konzentrieren wir uns zu sehr auf den Ausstoß von Treibhauseffekt antreibenden Klimagasen, kann es passieren, dass wir die CO2-Gesamtbilanz eines Produktes aus den Augen verlieren. Nicht immer ist das neueste, sparsamste Modell die beste Wahl und die genügsame Nutzung eines vorhandenen Produkts der bessere Weg. Kurzum, die Anschaffung eines Fahrzeugs sollte nicht erfolgen, so lange der CO2-Rucksack nicht geleert wurde.
Warum neu bauen, wenn das alte ist so gut
Voreilig funktionstüchtige Produkte auszusortieren ist aber nicht nur bei Gebrauchsgegenständen, Beispiel Mobiltelefon, wenig sinnvoll. Auch beim Bauen gibt es Bilanzen, die man berücksichtigen sollte. Den Fokus hier allzu sehr auf die Heizenergie zu legen, führt bisweilen dazu, dass man den Ressourcen- und Energieverbrauch von Bauteilen, insbesondere den der Gebäudehülle, unterschätzt.
Wie bereits am Beispiel Auto ausgeführt muss auch ein Neubau über seine bessere Energiebilanz, als Maßstab sollte der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes dienen, den Mehrverbrauch zur Herstellung kompensieren. Das sollte nicht schwer sein, mag man annehmen. Schließlich liegt der Energiebedarf eines nach den aktuellen Richtlinien errichteten Haus bei einem Bruchteil der Gebäude im Bestand. Im Vergleich zur Wärmeschutzverordnung von 1977 (180 bis 250 kWh/m2a) erlaubt die EnEV 2014 mit 15 bis 38 kWh/m2a nur noch knapp ein Zehntel. Der Energiehunger von Altbauten ist mit 250 bis 350 kWh/m2a im Schnitt noch höher. Betrachtet man jedoch die enormen Einsparpotentiale energetischer Sanierung, dann sieht das Ganze schon weniger dramatisch aus. Eine jüngste Studie der dena, der Untersuchung liegen Verbrauchsabrechnungen von 121 Gebäuden, Neubauten und Sanierungsprojekte ab 2006 zugrunde, führt verblüffend große Werte auf. Durch Sanierungsmaßnahmen ergaben sich für die Objekte mit strombasierten Heizsystemen Reduzierungen des Energieverbrauchskennwertes beim Endenergieverbrauch um fast 90 Prozent (von 180 auf ca. 20 kWh/m2a), der Primärenergieverbrauch verringerte sich um etwas mehr als 80 Prozent. Bei den Objekten mit nicht-strombasierten Heizsystemen sank der Endenergieverbrauch um durchschnittlich etwa 70 Prozent, die durchschnittliche Reduktion des Primärenergieverbrauchs lag bei rund 80 Prozent.
Die Energiebilanz von sanierten Bestandsgebäuden ist im Vergleich zum Neubau besser als oft vermutet. Dies zeigen beispielsweise die Berechnungen des Bremerhavener Architekten Hans-Joachim Ewert. Dort schnitt die Sanierung stets besser als der Abriss mit anschließendem Neubau ab, selbst im Vergleich zum Passivhaus. Mal ganz abgesehen von den Kosten. Die Sanierung lag bei exakt 1.184,94 €/m2, inklusive eines Anbaus und neuem Aufzug. Ein Abriss mit Ersatzneubau vergleichbarer Größe hätte rund 1.800 €/m2 gekostet. Für ein neu errichtetes Passivhaus hätte der finanzielle Aufwand über 2.000 €/m2 betragen.
Ressourceneffizienz
Eine Studie aus Österreich offenbart die unterschätzte "Graue Energie". So kann der Herstellungsenergiebedarf eines Niedrigenergie- und Passivhauses wesentlich höher als der während des gesamten Lebenszyklus erforderliche Heizenergiebedarf sein. Hauptverantwortlich dafür sind Bauteile, welche in zahlreichen energieintensiven Umwandlungsschritten hergestellt werden, wie z.B. Dämmstoffe auf Kunststoffbasis, Kleber oder auch gebrannte Ziegel. Im ungünstigen Fall kann die graue Energie für die Gebäudeerrichtung mehr als das 100-fache des jährlichen Heizenergiebedarfs eines Passivhauses betragen. Da die erwartete Lebensdauer eines Passivhauses kürzer als 100 Jahre ist, hat die graue Energie bei Passivhäusern mehr Einfluss auf den Gesamtenergiebedarf als die Heizenergie selbst. Bei ihr besteht ein erhebliches Einsparungspotenzial, denn grundsätzlich gilt: Je weniger ein Baustoff bei seiner Herstellung bearbeitet, Wärmebehandlungen unterzogen bzw. chemisch verändert wird, umso niedriger sind die umweltrelevanten Belastungen. Leider findet das derzeit jedoch bei der Beurteilung von Gebäudeentwürfen und innerhalb aktueller Fördersysteme kaum Beachtung. Um die Parallele zu den Autos zu ziehen: Ein Neubau muss eigentlich erst errichtet werden, wenn kein sanierungsfähiges Gebäude mehr vorhanden sind. Nur so ist es möglich den CO2-Rucksack nicht unnötig schwer werden zu lassen. Bei den Dämmmaßnahmen, so eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), sind die CO2-Amortisationszeiten mit wenigen Monaten bzw. Jahren sehr kurz. Die graue Energie spielt bei der energetischen Sanierung nur eine untergeordnete Rolle. Eine Ausnahme stellen neuere Gebäude dar, die bereits einen guten Wärmeschutz aufweisen. Zusätzliche Dämmungen amortisieren sich hier erst nach mehreren Jahren. Neue Fenster amortisieren sich ebenfalls - auch bei älteren Gebäuden - erst nach einem Zeitraum von bis zu zehn Jahren.
Was das Konzept des Abriss und Ersatzneubau angeht, weist die Studie aus dem Burgenland ausdrücklich darauf hin, dass auch bei Passivhäusern im Dämmstoff normalerweise viel weniger graue Energie als in den übrigen Gebäudeteilen verbaut wird. Daher muss vor allem auch bei übrigen Gebäudeteilen (Innenwänden, Decken, Fußböden, Einrichtung, ...) die mit installierte graue Energie minimiert werden. So plädierte erst kürzlich Alexander Rudolphi, Präsident der DGNB, für die Betrachtung eines Gebäudes als System und hinsichtlich seines Lebenszyklus für eine Gesamtökobilanzierung. Ähnlich sieht das auch Klaus Wehrle, Vorstandsmitglied der AKBW, wenn er sich für ein Gesamtbilanzierungsverfahren, das auch die graue Energie sowie realistische Bedarfsannahmen berücksichtigt, einsetzt. Betrachtet man die im Gebäude verbaute Energie genauer, erkennt man zudem, dass vieles davon, trotz hoher Recyclingquote nur eine gute Abfalltrennung ist. Viele der Bestandteile müssen, falls sortenrein vorhanden, entweder neu eingeschmolzen (Leitungen, Glas, ...) oder nur mechanisch aufbereitet (Steine, Estrich, ...) wieder in den Bauprozess eingeführt werden. Biogene Bestandteile (Dachstuhl, ...) werden so gut wie nicht wiederverwertet.
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Matthias Hüttmann