Solaranlagen für Klima- und Artenschutz
Betreiber von Solar-Freiflächenanlagen und Solarschäfer können gemeinsam etwas für Biodiversität und Energieversorgung tun: Meint man es hierzulande ernst mit dem Klimaschutz, so müssten künftig verstärkt Freiflächen mit Photovoltaik und Solarthermie, also der Erzeugung von Solarstrom und Solarwärme, belegt werden. Diese Flächen können aber auch für die Artenvielfalt und den Klimaschutz eine große Bedeutung haben, da sie helfen, dem zunehmend fehlenden Lebensraum für Insekten und Weidetiere, entgegenzuwirken. Aber es geht auch um weitere Aspekte, die solche Flächen in Diensten der Allgemeinheit verrichten können. Denn es geht in diesem Zusammenhang eben nicht nur darum, Grünflächen zu schaffen, auf denen die Energie der Sonne geerntet wird. Es geht vielmehr um einen ganzheitlichen Ansatz, der im Zuge des Klimawandels immer essentieller wird.
Anders herum betrachtet, können Freiflächen-Solaranlagen sogar problematisch, sein. Zu diesem Schluss kommen Forscher des National Renewable Energy Laboratory (NREL) in Cororado, USA. Sie können diverse Umweltschäden hervorrufen, wenn durch diese Art von Landnutzungsänderung die Biodiversität, die Wasser-, Luft- und Bodenqualität beeinträchtigt wird. Werden jedoch bestimmte Parameter beachtet, können Solaranlagen auf degradierten Flächen die knappen Landressourcen durchaus schonen.
Der IPCC-Sonderbericht über Klimawandel und Landsysteme hat das erst Anfang August 2019 deutlich gemacht. Dort ist zu lesen, dass Landsysteme die Hauptgrundlage für die Existenz und das Wohlergehen von Menschen bilden, einschließlich der Bereitstellung von Nahrung, Trinkwasser und vielen weiteren Ökosystemleistungen, sowie die biologische Vielfalt. Da der Menschen bereits über 70% der globalen, eisfreien Landoberfläche beeinflusst, erscheint es umso wichtiger, mit Freiflächensolaranlagen keine toten, rein industriellen Energieproduktionsflächen zu schaffen, sondern die Rolle dieser Areale entsprechend dem Klimasystem anzugehen.
Solarfelder mit Zweitnutzung
Es gibt bereits mehrere interessante Beispiele von Solaranlagen, die zeigen, dass es möglich ist, neben der Gewinnung von Energie, auch andere Nutzen aus der Fläche zu ziehen. In der SONNENENERGIE haben wir bereits von dem Solarfeld im niederbayerischen Oberndorf berichtet, das nach dem Weinbergprinzip angelegt wurde. Der Initiator Andreas Engl hat dabei eine Solarstromproduktion mit Biotopcharakter entwickelt. Begrifflich bezieht er sich dabei auf die römische Weinkultur, die damals auf das Zusammenspiel von Mensch, Pflanze und Tier mit den Faktoren Boden, Wasser und Luft gesetzt hatte. Übertragen auf heute, kann eine Freifläche als stabiles Ökosystem durchaus für eine hohe Artenvielfalt sorgen. Konkret wurden in Oberndorf auf die Fläche neben den Solarmodulen deshalb auch Streuobstwiesen, Hecken, Feuchtgebiete, Nistkästen, Trockenmauern und ein Weiher integriert. Und der Erfolg ist messbar: es leben auf der ehemaligen Lehmgrube nach letzten Zählungen 189 Pflanzen- und 286 Tierarten, darunter 44 Vogelarten, 14 Wildbienenarten, 73 Spinnenarten und 143 Schmetterlingsarten.
Ganz aktuell ist der Begriff der Agro-Photovoltaik, der im Übrigen aus einem Projekt des Fraunhofer ISE stammt. Bereits 2015 begann man dort darüber zu forschen, wie denn eine Doppelnutzung von Flächen für die Produktion von Erneuerbaren Energien und Nahrungsmitteln möglich sei. Auch hierzu haben wir in der SONNENENERGIE schon einmal geschrieben. Der Vorsilbe Agro entstammt dabei dem Griechischen. Dort steht Agrós für Acker oder Feld. Die Agrarwirtschaft als Synonym für Landwirtschaft hat sich bei uns längst eingebürgert, der Landwirt als Agrarökonom steht sinnbildlich dafür. Der Agrarsektor selbst umfasst dabei noch die Forstwirtschaft, die Fischerei und weitere Wirtschaftszweige. Dieser Zusammenhang ist wichtig, da es bei der „Agro-PV“ um mehr als eine zusätzliche Nutzung zur PV geht. Vielmehr wurde in dem Verbundprojekt APV-RESOLA eine Steigerung der Landnutzungsrate nachgewiesen. Der Ertrag bei der Lebensmittelproduktion steig dabei auf 160 bis 186 Prozent. Speziell unter dem Aspekt zunehmender Hitzeperioden ist eine so erreichte Teilverschattung für die landwirtschaftlichen Ernteerträge von Bedeutung. Da die Sonneneinstrahlung durch die Module auf die Ackerfläche um rund 30% reduziert wird, sinkt die Bodentemperatur bei gleichbleibender Lufttemperatur. Die Bodenfeuchtigkeit war in den untersuchten Zeiträumen höher, trotz geringeren Niederschlags im Sommer. In den Wintermonaten jedoch geringer. Ganz allgemein können schattenliebende Pflanzen unter Solarmodulen durchaus sehr gut gedeihen, da Wasserverbrauch und Verdunstung reduziert wird. Eine Variante der Agro-Photovoltaik stellen Rangevoltaic-Systeme dar. Dabei werden etwa in Milchviehbetrieben Tiere unter Solarmodulen gehalten. Der Schatten der Solarmodule mindert den Hitzestress der Tiere und verbessert wohl auch deren Milchleistung und -qualität.
Noch nicht verwirklicht, aber nicht minder interessant, ist ein vom Hamburg Institut entwickelte Konzept der solaren Nachbarschafts-Gewächshäuser, Urban Solar Gardening genannt. In dem Fall sind es Solarkollektoren, also wärmeliefernde Solaranlagen, die eine weitere Funktion erhalten. Auch hier möchte man eine Fläche doppelt nutzen. Dazu ist, gegenüber der herkömmlichen Freiflächenaufständerung, ein etwas größeren Bedarf an Landfläche nötig. Auch wenn der Aufwand im Vergleich zur reinen Freiflächen-Kollektoranlage zunächst höher ist, eröffnet sich dadurch die Möglichkeit des Anbaus von Lebensmitteln. So ist beispielsweise der Zucht von Tomaten mithilfe von Solarwärme ein durchaus charmanter Ansatz, den es lohnt weiter zu verfolgen. Nachhaltige, kostengünstige und gemeinschaftliche Selbstversorgung mit frischen Lebensmitteln könnte mit Technologien zur Wärmeerzeugung aus Erneuerbaren Energien zusammengeführt werden.
Solarschäfer
Für die Funktionsfähigkeit von Freiflächen-Solaranlagen ist es notwendig, den Pflanzenbewuchs in Schach zu halten. Zudem ist eine kontrollierte Vegetation für den Brandschutz erforderlich. Auch wenn es durchaus Solarparks gibt, die nicht beweidbar sind, kommt für das Kurzhalten des Grünwuchses in den meisten Fällen neben der Mahd eine Schafbeweidung in Frage. Bei dieser, meist kostengünstigeren Pflege, ist im Gegensatz zur mechanischen Variante keine Staubentwicklung und Beschädigung der Anlagenteile durch Steinschlag zu befürchten. Nicht zuletzt kann durch die regelmäßige Anwesenheit und Kontrollen der Schäfer die Diebstahl- und Vandalismusgefahr deutlich verringert werden.
Aber auch die andere Seite würde davon profitieren. Aus Sicht der Schafhalter könnte hier eine Dienstleistungsnische entstehen, die Flächenverluste an anderer Stelle zumindest teilweise kompensiert. Für die Schäfer hat es den Vorteil, dass die Solarflächen weder gedüngt noch mit Pestiziden behandelt werden und die Solarflächen als Unterstand und Schutz gegen Hitze, Sturm etc. dienen können. Der sichere Zaun um die Solaranlage unterstützt den Schäfer zudem beim Herdenschutz. Das wiederum hilft indirekt dem Wolf, der in den letzten Jahren seinen natürlichen Lebensraum in Deutschland und Europa erfolgreich zurückerobern konnte. Denn erschwert man es ihm, sich an wenig geschützten Haustieren zu bedienen, kann seine Integration, die international hohen Schutz genießt, leichter erfolgen.
Ein zentraler Aspekt besteht darin, bei der Produktion von Erneuerbarer Energie besonders darauf zu achten, dass die beanspruchten Flächen naturnah und ressourcenschonend gepflegt werden. Mit Hilfe einer extensiven Weidehaltung unterstützt der Betreiber in besonderem Maße den Gedanken des Tierwohls. Dies ist wichtig, denn deren öffentliche Wahrnehmung nimmt immer mehr zu. Gerade unter dem Aspekt eines forcierten EE-Ausbaus ist es nötig für die entsprechende Akzeptanz zu sorgen.
Es sollte jedoch nicht übersehen werden, dass für diese Maßnahmen vor allem reine Herdenschäfer in Frage kommen und solche „Solarschäfer“ dabei auch ein wenig maschinenaffin sein und einen Blick für die Anlage haben müssen. Dabei ist der Schäfer kein passiver Besucher. Seine Aufgabe umfasst mehr, bisweilen muss er auch einmal eine Maschine in die Hand nehmen. Den Betreibern wiederum sollte bewusst sein, dass ein solcher qualifizierter Schäfer diese Arbeit nicht umsonst macht und er nicht allein wegen des Futters kommt. Denn die Schäferei bewegt sich, was den Verdienst betrifft, ohnehin am unteren Limit. Somit könnte eine Kooperation mit Solaranlagenbetreibern helfen, der Schäferei als solches ein Überleben zu sichern. Zu diesem Thema hat die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft auch eine sehr gute, kostenfreie Broschüre veröffentlicht. Dort sind zahlreiche detaillierte Hinweise über die Anforderungen an die PV-Anlage, aber auch bezüglicher der Haltung der Schafe zu finden, in dem Kasten (Ende) haben wir auszugsweise ein paar technische und bauliche Voraussetzungen für eine Schafbeweidung aufgeführt.
Neben der Solaranlage ist aber auch der Boden selbst entscheidend, ob es überhaupt zu einer Beweidung kommen kann. Da viele Anlagen auf Konversionsstandorten oder auf ehemals landwirtschaftlich genutzte Flächen mit geringer Bodenqualität aufgebaut werden, muss hier teilweise auch am Untergrund etwas getan werden. So sind etwa Bodenversiegelungen zu entfernen und im Zweifelsfall auch Bodengutachten einzuholen. Im Idealfall kann durch gezieltes Aufbringen von Mutterboden und der Einsaat von regionalspezifischen Pflanzenarten eine deutliche Verbesserung erreicht werden. Ehemalige Ackerböden sind oftmals noch zu nährstoffreich, diese müssen deshalb „aushagert“ werden, was beispielsweise in einer sogenannten Ruderalphase mit nährstoffliebenden bzw. -zehrenden Pflanzen geschehen kann. Das ist wesentlich, das der Grünlandbestand die Futtergrundlage der Schafe darstellt und das letztendlich der ausschlaggebenden Punkt in Sachen für den Solarschäfer bedeutet.
Notiz am Rande: Unter dem Motto „Rein mit den Schafen!“ fand am Rande der Solarmesse Intersolar Europe 2019 im Mai in München, leider fast unbemerkt, eine Auftaktveranstaltung zur Kooperation von Schäfern und Betreibern von Solar-Freiflächenanlagen statt. Dabei wurde deutlich, wie wichtig diese Flächen für Naturschutz und Biodiversität sind und welche Chancen sie für den Artenschutz bieten. Die Veranstaltung am 17. Mai wurde von den Bayerischen Ministerien Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie Umwelt und Verbraucherschutz in Kooperation mit der DGS durchgeführt. Ziel war es Betreiber von Solaranlagen für eine intensivere Zusammenarbeit mit Schäfern zu begeistern. Denn diese Interessengemeinschaft, davon sind alle Beteiligte überzeugt, sollte viel öfter genutzt werden. Die Vorteile für beide Partner sind enorm.
Hotspots
Freiflächensolaranlagen können darüber hinaus auch andere konkrete Hilfestellung leisten. Indem Freiflächenanlagen als lokaler „Insekten-Hotspots“ und Bienensommerweiden dienen, können sie einen erheblichen Beitrag zur Steigerung der Biodiversität liefern. Denn das Insektensterben ist nicht nur ein aktuelles Medienthema, der andauernde Rückgang der heimischen Artenvielfalt und Individuenzahlen ist real und dramatisch. Beispielsweise muss der Mensch die Honigbiene ab Juli mit Nahrung versorgen, anstatt reiche Sommertrachten wie früher einzubringen. Noch weniger im Fokus ist die Funktion der Insekten als prägende Landschaftsgestalter. Denn sie dienen nicht nur als Bestäuber, sondern auch als Nahrungsgrundlage für Vögel und Wirbeltiere. Der extrem starke Einbruch hat seine Gründe. Neben den Habitatsverlusten und der Blütenarmut im Hochsommer ist es vor allem die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und Insektiziden, die den Insekten essentielle Probleme bereitet. Dem kann durch die Schaffung einer artenreiche Freiflächen-Solaranlage, die das Weiden – nicht nur für Bienen, sondern auch für Weidevögel ermöglicht – entgegengewirkt werden. Vielen ist das nicht klar: Wiesenbrüter und Feldvögel zählen zu den am stärksten gefährdeten heimischen Vogelarten. Sie sind vielerorts im „freien Fall“. Um sie zu retten, sind vielfältige Maßnahmen nötig. Freiflächensolaranlagen können hier wichtiges leisten. Damit kann man auch dem Vorurteil begegnen, dass PV-Anlagen wertvolle Landwirtschaftsfläche wegnehmen. Denn schließlich ist Beweidung auch Landwirtschaft und es gibt deutlich zu wenig Weidetiere in der Landschaft.
Zurück zu den Schafen: Ihnen kommt hier eine wichtige Schlüsselrolle zu. Neben der gezielten Ansaat und der Einbringung von einheimischen wie auch regional spezifischen Pflanzen fungieren Schafe auch als Sameneinbringer. Diesen, vielleicht etwas unscheinbar daherkommenden Satz, sollte man auf keinen Fall überlesen, denn es ist einiges im Argen in unseren Fluren: Es gibt viel zu wenig Weidetiere in der Landschaft. Dazu gehören neben den Schafen und Ziegen im Übrigen auch die Weidevögel, die bei uns verfälschend als Bodenbrüter tituliert werden. Da es Samen in unserer monokulturellen Landwirtschaft nicht mehr schaffen, sich auszubreiten – zu groß sind die zu überwindenden, pestizitbehandelten Flächen, müssen Tiere diese Aufgabe übernehmen. Dabei ist es wesentlich, dass es auch zu einer Ganzjahresaußenhaltung kommt. Wiederkäuer, die bei jedem Wetter auf der Weide stehen, das gibt es bei uns nur noch sehr selten.
Der Deutsche Verband für Landschaftspflege (DVL) hat erst kürzlich Leitlinien zu nachhaltigem Insektenschutz veröffentlicht. Dort ist ausdrücklich vermerkt, dass Insektenschutz nicht nur auf die Verteilung von Saatgut und Anlage von Blühstreifen reduziert werden sollte. Es bedarf, neben mehr Hecken und heimischen Wildpflanzen sowie Totholz vor allem eine Zunahme an Wiesen und Weiden. Dazu muss, laut Dr. Jürgen Metzner, Geschäftsführer des DVL, die Attraktivität der flächengebundenen Tierhaltung wieder gesteigert werden. Verschwinden Weidetiere aus der Landschaft, nehmen Hüte- und Wanderschäferei noch weiter ab, dann wird es bei der Verbreitung von Samen und Insekten zu noch größeren Problemen kommen. Weidende Tiere werden deshalb auch als „Taxis der Biodiversität“ bezeichnet. Zudem können sie die Infektion mit der Lyme-Borreliose durch Zecken eindämmen (siehe Kasten zur Borreliose Prophylaxe). Erst durch Weidetiere ist Artenvielfalt machbar. Die extensive Schafbeweidung mit niedriger Besatzdichte hilft letztendlich, diese neu geschaffenen Biodiveritätsinseln zu pflegen. Das gilt im Übrigen für Neuanlagen wie auch für Bestandsanlagen.
Fazit
Freiflächensolaranlagen, damit sind im Übrigen ganz bewusst auch Solarthermieanlagen gemeint, die im Bereich der Nah- und Fernwärme hoffentlich auch in Deutschland bald an Bedeutung und Zahl zunehmen werden, sind nicht nur für die Energiewende, sondern auch für den Artenschutz von großer Bedeutung. Tote Flächen, auf denen nur Energie produziert wird und ansonsten kaum Leben möglich ist, wären ein Rückschritt.
Technische und bauliche Voraussetzungen für eine Schafbeweidung
Eine problemlose Schafbeweidung lässt sich durch eine Mindesthöhe der Unterkante der Solarmodule zum Boden erreichen, diese sollte bei Beweidung mit Wirtschaftsrassen 80 cm betragen. Wichtig: Auch bei unebenem Gelände muss das überall gewährleistet sein. Sind die Panele zu niedrig, können sich die Tiere verletzen. Außerdem besteht bei zu niedrig aufgehängten Panelen die Gefahr, dass die Module durch die Schafe beschädigt werden. Dies gilt insbesondere bei Dünnschichtmodulen. Bei mechanischer Belastung kann es schnell zu Brüchen kommen. Falls diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, lassen sich kleine Landschafrassen für die Beweidung einsetzen. Auch die Flacheisen der Trägergestelle können eine erhebliche Verletzungsquelle darstellen. Sie sollten so verbaut sein, dass weder Schafe, Hunde, noch Menschen daran Schaden nehmen können. Bei den sogenannten Trackern bzw. Movern sind die Gestelle in der Regel wesentlich höher, so dass eine Schafbeweidung dort problemlos möglich ist.
Borreliose Prophylaxe
Zecken-Experten haben herausgefunden, dass die Gefahr einer Infizierung mit den Erregern der Lyme-Borreliose durch den Gemeinen Holzbock, unserer heimische Zeckenart, durch Weidetiere bzw. Wiederkäuer verringert werden kann. Sie konnten zeigen, dass Zecken ihre gefährliche Fracht nicht an Wiederkäuer weitergeben können. Das gilt sowohl für Nutztiere wie Ziegen, Schafe und Rinder, als auch für Reh-, Rot-, Dam- und Muffelwild. Besonders interessant ist, dass infizierte Zecken, die an Wiederkäuern saugen, die Lyme-Borrelien während der Blutmahlzeit an den Tieren verlieren. Sie saugen sich voll, fallen vom Wirt ab, entwickeln sich zum nächsten Stadium und sind dann nicht mehr infektiös. Wiederkäuer werden deshalb auch als zooprophylaktisch bezeichnet. Grundsätzlich gilt: In Gebieten, in denen viele Wiederkäuer leben, stecken sich die Zecken weniger häufig an. Im Umkehrschluss ist es gar so, dass eine massive Reduktion der Weidetiere das Risiko für die öffentliche Gesundheit sofort erhöhen würde. Die Anzahl infizierter Zecken ist auf den von Wiederkäuern beweideten Flächen bis zu 50mal geringer als auf Brachflächen. Einen vermeintlich „positiven“ Aspekt hat der Klimawandel auf die Verbreitung von Zecken und Borreliose: Wärmere und trockenere Perioden wirken sich negativ auf den Gemeinen Holzbock aus. Allerdings kann es durchaus sein, dass sich das Aktivitätsmuster dahingehend verschiebt, dass sie dann in den bei uns milderen Wintern früher aktiv werden.
Matthias Hüttmann