Lebende Wände und grüne Dächer

Photovoltaik und Dachbegrünung lassen sich bei fachgerechter Planung gut kombinieren, Quelle: BuGG, Bundesverband GebäudeGrün e. V., Gunter Mann

Wandgebundene Fassadenbegrünung (Living Wall) als Blickfang und „grüne Lunge“ mitten in Berlin, Quelle: BuGG, Bundesverband GebäudeGrün e. V., Gunter Mann

Vorbildlich! Alle Dächer begrünt in einem Neubaugebiet in Tübingen, Quelle: BuGG, Bundesverband GebäudeGrün e. V., Gunter Mann
Ökologisch und nachhaltig Bauen und Wohnen: Die Idee eines energieautarken Wohngebäudes ist nicht neu. Das betrifft jedoch zunächst nur die Energieversorgung. Neben den Baustoffen selbst, siehe Lehmbauarchitektur oder auch Strohballenbauten, gibt es aber auch andere, wesentliche ökologische Bestandteile von Gebäuden, die jedoch nicht so sehr im Gespräch sind, obwohl sie sich durchaus vorteilhaft auf den Energiebedarf auswirken und auch für die Selbstversorgung der Bewohner von Bedeutung sind.
Der Lebensraum des Wohnens wird nicht nur durch die Gebäudehülle definiert, sondern umfasst weitestgehend auch das Grundstück. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein Garten lediglich das Haus schmückt oder ob er auch einem Nutzen dient. Wer auf Autarkie und Selbstversorgung Wert legt, sollte ausdrücklich darüber nachdenken, ein Gewächshaus oder einen Nutzgarten als integralen Bestandteil des Wohngebäudes einzuplanen.
Ein beheizter Wintergarten kommt aus energetischen Gründen dagegen nicht in Frage. Schon die Öffnung der thermischen Gebäudehülle für einen solchen Glaskörper wäre problembehaftet, ganz abgesehen von dessen Beheizung. Anstelle eines Wintergartens oder eines Gewächshauses wäre auch denkbar, Formen des "Vertical Farmings" mit in die Planung einzubringen. Nutzpflanzen als Bestandteil der Fassade sind hingegen sinnvoll. Auch leistet die Begrünung von Dachflächen positive Beiträge. In Sonderfällen können gar Obst, Gemüse oder Nutzpflanzen in mehreren Etagen herangezüchtet werden.
Fassadenbegrünung
Neben der bodengebundenen Begrünung, bei der Pflanzen an der Außenwand emporwachsen, selbst aber zu Füßen des Gebäudes verwurzelt sind, gewinnt die wandgebundene Begrünung immer mehr an Bedeutung. Der Nutzen einer Fassadenbegrünung ist vielfältig: Neben einer Schutzfunktion, die jedoch bei schlechter Ausführung und falscher Pflanzenwahl auch ins Gegenteil umschlagen kann, gibt es zahlreiche positive ökologische Aspekte. Darunter fällt beispielsweise die Filterung und Bindung von Staub und Luftschadstoffen, der Beitrag zur Biodiversität und Artenschutz oder auch das Zurückhalten von Wasser vor schnellem Versickern. Zu den bauphysikalischen Vorteilen zählt die Verschattung und die damit einhergehende Kühlung, speziell extreme Temperaturen können hier gedämpft werden. Die begrünte Hauswand kann aber auch für Schall-, Strahlungs- und Witterungsschutz sorgen. Da Kletterpflanzen sich nicht selbst tragen können ist die Tragfähigkeit der Gebäudeoberfläche unbedingt zu beachten.
Bodengebundenen Begrünung
Hier kommen üblicherweise Kletterpflanzen zum Einsatz, die, mit oder auch ohne Kletterhilfe, die Hauswand begrünen. Selbstklimmer wie Wilder Wein, Efeu oder Kletterhortensien benötigen dabei keine Kletterhilfen. Sie bilden selbst Haftorgane aus. Jedoch sind nur haftscheibenbildende Sorten ratsam, da Pflanzen, die sich in feinen Putzrissen verankern die Oberfläche nachhaltig schädigen können. Die Fassadenoberfläche sollte deshalb hart, schwer ablösbar, vertikal zusätzlich belastbar wie auch fugen- und rissfrei sein.
Pflanzen die hingegen Rankhilfen benötigen, werden als Gerüstkletterpflanzen bezeichnet. Diese kann man, je nach der Strategie ihres Kletterns in Schling-, Rankpflanzen und Spreizklimmer unterscheiden. Je nachdem, stellen sie andere Ansprüche an die Kletterhilfen. Da das Eigengewicht der Pflanzen ebenso sehr unterschiedlich ist, muss genau darauf geachtet werden, die entsprechenden Gerüste auszuwählen.
Wandgebundene Begrünung
Diese, auch als "Living Wall" bekannte Wandbegrünung ist dagegen noch nicht ganz so häufig anzutreffen, wenngleich auf dem Vormarsch. Diese Systeme benötigen keinen Bodenanschluss, sind schnell wirksam, da sie nicht erst von unten nach oben wachsen müssen, aber auch sehr unterschiedlich gestaltet wie auch genutzt werden können. Werden sie etwa als vertikale Gärten angelegt, können sie auch der Produktion von Lebensmittel dienen. Im Gegensatz zur bodengebundenen Begrünung müssen die Pflanzen über eine automatische Anlage mit Wasser und Nährstoffen versorgt werden. Auch der Pflegeaufwand ist höher.
Neben der boden- und wandgebundenen Begrünung gibt es noch zahlreiche Mischforme wie etwa den Fassadenbewuchs aus etagenweise angeordneten Pflanzgefäßen.
Die Begrünung kann durchaus zu angenehmeren Temperaturen beitragen, sprich ein Mikroklima erzeugen, das auch für die Stadtentwicklung von Bedeutung sein kann. Wenn es in dicht bebauten und stark versiegelten Gebieten durch die Begrünung von Gebäudeaußenwänden zu einer niedrigeren Luftfeuchte und kühleren Temperaturen kommt, können solche "Klimafassaden" örtlich ein energetisch günstigeres Klima erzeugen. Werden diese Fassaden zudem möglichst noch mit einheimischen, standortgerechten Pflanzen begrünt, entstehen weitere ökologische Vorteile.
Dach
Die Funktion des Daches hat sich über die Zeit kaum grundlegend verändert. Nach wie vor dient es vor allem dem Schutz gegen Witterungseinflüsse. Ein wesentlicher Aspekt ist aber auch seine Bedeutung für die Gestaltung des Gebäudes. So verleiht ein Dach einem Haus seinen Charakter. Das wird nicht zuletzt auch darin deutlich, dass nach Errichtung des Dachstuhls das Richtfest gefeiert wird. Bei älteren Gebäuden kann man das auch gut am Größenverhältnis des Daches zum restlichen Gebäude erkennen. Meist waren alle Stockwerke, mit Ausnahme des Erdgeschosses, Dachgeschosse. Im Laufe der Zeit kehrte sich das Verhältnis mehr und mehr um, die Dächer wurden immer kleiner und werden in ihrer ursprünglichen Form kaum noch errichtet, auch nahmen Flachdächer an Zahl zu. Im Zuge des solaraktiven Bauens wächst die Bedeutung des Daches wieder. Als "Kollektoren" für die aktive Nutzung von Solarenergie wurde ihnen eine neue Funktion zugesprochen.
Gründächer schonen die im Dach verbauten Materialien, da die Temperaturschwankungen geringer sind. Das ist neben dem Beitrag zum städtischen Grün durch die Schaffung zusätzlicher Grünflächen und der Förderung der Artenvielfalt, sicherlich einer der größten Vorteile einer Dachbegrünung. Des weiteren bewirkt ein begrüntes Dach, wie schon die Fassadenbegrünung, eine Lärmreduktion bzw. Schallschutz, die Filterung und Bindung von Staub und die Pufferung von Regenwasser. Wird ein Gründach entsprechend geplant, kann es auch zum Aufenthaltsbereich und vielfältig gestaltet werden. Im innerstädtischen Bereich können dadurch Erholungs- wie auch Gemeinschaftsflächen entstehen, die ansonsten aufgrund der Grundstückspreise nicht möglich wären. Der praktische Nutzen der Energieeinsparung durch die Dämmwirkung ist jedoch nicht zu vernachlässigen.
Die thermische Beanspruchung eines frei bewitterten Daches ist mit Temperaturen von bis zu 80° C sehr hoch. Speziell die hohen Temperaturschwankungen im Winter stellen hohe Ansprüche und führen zu einer verminderten Lebensdauer der verwendeten Materialien. Durch eine Begrünung werden die Spitzentemperaturen deutlich reduziert, aber auch die winterlichen Temperaturdifferenzen sind deutlich niedriger. Das wiederum spart Energie. Das erhöht die Lebenserwartung der Dachabdichtung, welche auch dadurch erhöht wird, dass das Dachabdichtungsmaterial vor UV-Strahlung geschützt wird.
Die mechanische Beanspruchung eines unbegrünten Dach ist durch Wartungsarbeiten ebenso höher als bei einem Gründach. Auch schützt die Begrünung die Dachabdichtung vor Hagelschlag. Speziell bei Flachdächern, kann der Wärmeschutz verbessert bzw. reduziert werden. Ein derart verbesserter Wärmeschutz ist vom Feuchtigkeitsgehalt des auf dem Dach aufgebrachten Substrat abhängig.
Ein letzter Vorteil: Grünflächen stellen eine optische Aufwertung der Dachfläche dar.
Arbeitsplätze
Im dem noch nicht veröffentlichten "Green Market Report Austria" ist zu lesen, dass die Branche der Bauwerksbegrünung in Österreich viele neue Arbeitsplätze schaffen könnte. So sei die Bauwerksbegrünung nicht nur in Bezug auf Umwelt und Wohlbefinden in Städten wichtig. Eine kürzlich durchgeführte Studie habe ergeben, dass sie auch wirtschaftlich viel bewirken könne: Pro 8000 m² zusätzlicher Gründachfläche entstünden 10 neue Arbeitsplätze. Würde jedes 2. Gründach im Neubau bis 2030 begrünt ausgeführt, ergäbe das mehr als 8.000 direkte und weitere 25.000 indirekt entstehende neue Arbeitsplätze. Die Branche zeichne sich auch durch einen hohen Innovationsgrad aus: Durch die gezielte Kombination von Dachbegrünungen mit anderen Technologien werde ihre Wirkung noch weiter gesteigert. Dazu zählen beispielsweise Solar-Gründächer, bei denen der kühlende Effekt der Pflanzen die Leistung der Photovoltaik steigert und gleichzeitig die Nutzung und Reinigung von Grau- und Brauchwasser auf Dächern ermöglicht (Quelle: Gebäude Energieberater: www.geb-info.de)
Matthias Hüttmann