Solarthermie für die Architektur erschließen
Neue Konzepte für die Gestaltung von Gebäudehüllen: Solarenergie wird ein Eckpfeiler sein, um eine klimaneutrale EU bis zum Jahr 2050 zu ermöglichen. Neben der in der allgemeinen Diskussion allgegenwärtigen Photovoltaik zeigt die auf dem Energiesystemmodell REMod basierende Studie "Wege zu einem klimaneutralen Energiesystem" des Fraunhofer ISE für Deutschland eine notwendige Verfünf- bis Verachtfachung der installierten Solarthermieleistung gegenüber 2019, um diese Ziele zu erreichen. Dies entspricht - entgegen dem stetigen Marktrückgang der vergangenen Jahre - einer jährlichen Wachstumsrate von fünf bis sieben Prozent allein in der Solarthermie.
Letztlich werden Förderbedingungen und Markt darüber entscheiden, welche Technologien tatsächlich zum Einsatz kommen. In jedem Fall wird aufgrund des Flächenbedarfs ein Großteil der Solaranlagen in die Gebäudehülle integriert werden (bauwerkintegrierte Photovoltaik, BIPV, bzw. Solarthermie, BIST), wobei sich bei mehrgeschossigen Gebäuden aufgrund der begrenzten Dachflächen auch fassadenintegrierte Lösungen anbieten. Wird Solarthermie für die Gebäudebeheizung eingesetzt, sind Fassadenkollektoren bekanntlich auch vorteilhaft, weil sie Stagnationssituationen reduzieren. Gleichzeitig generieren sie höhere Wintererträge. So muss sich die Kollektorentwicklung den Randbedingungen und Möglichkeiten von Baubranche und Architektur unterordnen, um erfolgreiche Fassadenkollektoren entwickeln zu können. Gleiches gilt für die PV - die Fassade als "Angesicht" des Gebäudes ist mehr als reine Energiegewinnfläche. Unter ganzheitlichen Nachhaltigkeitsbetrachtungen sollte es ein wesentliches Ziel sein, dass Komponenten zur Nutzung Erneuerbarer Energien Teil der Baukultur werden.
In den vergangenen Jahren haben das Fraunhofer ISE und Priedemann Facade-Lab gemeinsam mit diversen weiteren Partnern aus Industrie und Forschung die beiden Forschungsprojekte TABSOLAR II und ArKol durchgeführt und 2019 bzw. 2020 abgeschlossen. Die drei in diesen beiden Projekten entwickelten Konzepte vereint der Gedanke, Fassadenkollektoren "von der Baubranche aus zu denken" und dadurch Architekten die Möglichkeiten zu geben, die Gebäudehülle zu gestalten und gleichzeitig Solarenergie nutzen zu können. Die interdisziplinären Projektkonsortien mit Vertretern aus der Baubranche unterstreichen diesen Ansatz. Im Folgenden sollen einige Aspekte dieser Konzepte beispielhaft beleuchtet werden.
Drei Blickwinkel: Architektonischer Entwurf, Fassadenkonstruktion, Wärmeversorgungssystem
Ein Fassadenkollektor ist unter verschiedenen Aspekten zu betrachten. Er sollte bereits im frühen Planungsstadium Teil des architektonischen Entwurfs sein, darüber hinaus ist er Bestandteil der Fassadenkonstruktion und schließlich Teil des Wärmeversorgungssystems.
Das TABSOLAR®-Konzept basiert auf durchströmbaren Paneelen aus Ultrahochleistungsbeton (UHPC), die architektonische Gestaltung und solare Wärmegewinne in einem Bauteil ermöglichen. Unterschiedliche Produktfamilien können an der Fassade als Solarkollektor bzw. Niedertemperaturquelle für Wärmepumpen oder in Innenräumen als thermoaktive Bauteilsysteme (TABS) zu Heiz- und/oder Kühlzwecken eingesetzt werden. Die Kanalstrukturen werden mit dem bionischen FracTherm®-Algorithmus erstellt, um eine gleichmäßige Durchströmung bei geringem Druckverlust zu erreichen. Die Elemente werden mit einem Membran-Vakuumtiefziehverfahren direkt aus Ultrahochleistungsbeton gefertigt.
Die Materialität des UHPC ermöglicht unterschiedliche Oberflächenstrukturierungen und Farben und damit zahlreiche architektonische Gestaltungsmöglichkeiten. TABSOLAR®-Elemente sollen in verschiedenen Fassadenkonstruktionen eingesetzt werden können (Wärmedämmverbundsystem, vorgehängte hinterlüftete Fassade (VHF), Doppel- und Sandwichwand). Sowohl die gestalterischen als auch die konstruktiven Aspekte beeinflussen schließlich die thermische Nutzung. So sind beispielsweise mit einer Sichtbetonvariante ohne Glasabdeckung deutlich geringere thermische Erträge und Temperaturniveaus erreichbar als mit einer Bauweise, die eine spektralselektive Beschichtung und Verglasung aufweist. Auch die rückseitige Wärmedämmung hat einen wesentlichen Einfluss. Maßgebend ist jedoch nicht nur die Wirkungsgradkennlinie eines einzelnen Kollektors, sondern ein schlüssiges Gesamtkonzept. So kann gegebenenfalls eine mit TABSOLAR® Design ausgestattete Fassade in Kombination mit einem Eisspeicher und einer Wärmepumpe, eventuell ergänzt mit TABSOLAR® Heat & Cool, zu interessanten energieeffizienten Lösungen für die Gebäudebeheizung führen.
Im Projekt ArKol wurden zwei Kollektoransätze entwickelt: eine solarthermische Jalousie (STJ) und ein solarthermischer Streifenkollektor (STSK). Beide nutzen Heat-Pipes mit "trockener Anbindung" zur Wärmeübertragung. Bei der STJ wird diese genutzt, um eine schaltbare thermische Kopplung zu realisieren, beim STSK wird damit eine stufenlose Positionierbarkeit der Kollektorstreifen auf dem Sammelkanal ermöglicht.
Durch diese Flexibilität und die schlanke Bauweise kann der Streifenkollektor mit üblichen Fassadenbekleidungsmaterialien kombiniert werden. So sollte der Architekt die Kollektoren als "Material" für die Fassade und somit als festen Bestandteil seines Planungsportfolios begreifen. Die Kollektoren werden mit Agraffen in eine Unterkonstruktion eingehängt. Eine Adapterplatte, in der sich die Heat-Pipes befinden, wird an die fluiddurchströmten Sammelkanäle angeschraubt. Dadurch montiert der Fassadenbauer die Kollektoren und stellt gleichzeitig eine thermische Verbindung zum Sammelkanal her. Die Sammelkanäle werden wiederum vom Heizungsinstallateur angeschlossen, so dass hier eine klare Gewerketrennung vorhanden ist.
Die STJ vereint ein bewegliches Sonnenschutzsystem mit einem Solarkollektor. Dadurch ist sie gegenüber herkömmlichen Fassadenkollektoren für verglaste, also transparente Fassaden geeignet. Durch sie kann auch der g-Wert reduziert werden, die Abführung der Wärme verringert zusätzlich den Kühlbedarf im Gebäudeinneren.
Alle drei Konzepte wurden bereits sowohl Fachpublikum als auch der breiten Öffentlichkeit präsentiert, die Resonanz war sehr positiv. Seit Mai 2020 laufen bereits die Folgeprojekte TABSOLAR III (Konzept TABSOLAR®) und DESTINI (solarthermische Jalousie). Zum solarthermischen Streifenkollektor ist ein Folgeprojekt in Vorbereitung. Im Zuge dieser Vorhaben ist die Umsetzung der Konzepte in realen Bauvorhaben anhand von Demonstrationsfassaden geplant.
Die Projekte TABSOLAR II und ArKol wurden vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und vom Fraunhofer ISE koordiniert. Priedemann Facade-Lab GmbH war an beiden Projekten beteiligt. An TABSOLAR II wirkten außerdem die Firmen G.tecz Engineering, Betonfertigteile Spürgin sowie das Karlsruher Institut für Technologie mit. ArKol wurde gemeinsam mit der Firma DAW SE sowie dem Kompetenzzentrum für Ausbau und Fassade, dem Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart (IBK2) und dem Borderstep Institut für Innovation und Nachhaltigkeit durchgeführt. Die Streifenkollektoren für die Demonstrationsfassade wurden im Unterauftrag von Firma Wagner Solar gebaut.
Weitere Informationen sind auf den Projektwebseiten www.arkol.de und www.tabsolar.de sowie in [1] zu finden.
Literatur
[1] Hermann M., Denz P.-R., Haeringer S. F., Morawietz K., Maurer C., Vongsingha P., Fassade und Kollektor - drei Konzepte zur Zusammenführung zweier Welten, Tagungsband, 30. Symposium Solarthermie und innovative Wärmesysteme, 2020
M. Hermann, S.F. Haeringer, K.Morawietz, C. Maurer, P.R. Denz, P. Vongsingha