Was wenn ein einzelnes Solarmodul fehlt?
Ersatzteilversorgung für ältere Photovoltaikanlagen : Wenn das EEG nicht mehr gilt – steigen die Solarstromeinnahmen“: Über die momentan interessanten Vergütungen für PV-Anlagen nach der EEG-Laufzeit („Ü20“) hatten die DGS-News Ende September 2021 online berichtet. Doch wenn irgendwann einmal ein oder zwei Solarmodule einer solchen Ü20-Anlage kaputtgehen und der Hersteller nicht mehr greifbar ist: Was tun? Unter anderen darum dreht sich dieser Beitrag.
Zwanzig EEG-Förderjahre – was dann? Für viele Betreiber von PV-Anlagen ist die erste Idee: abbauen und verschrotten. „PV-Abfälle kostenfrei zurückzunehmen und wiederaufzubereiten, ist ökologisch und ökonomisch sinnvoll: Durch automatisierte Recyclingprozesse lassen sich zukünftig Recyclingraten von über 95 Prozent erreichen und Rohstoffe kostenneutral oder sogar gewinnbringend zurückgewinnen. Die Wiederaufbereitung hat positive Auswirkungen auf die gesamte Energie- und Ökobilanz der PV-Technologie.“ So beschrieb vor gut zehn Jahren das Handwerksblatt das Thema Modulrecycling.
Doch noch besser als Recycling ist, funktionierende Module und Anlagen weiter zu betreiben. So lange, bis sie ihren Geist tatsächlich aufgeben. Als erstes stehen kleineren PV-Anlagen ohnehin erst einmal sieben Jahre „Schonfrist“ zu. Wenigstens diesen Zeitraum über die Förderperiode hinaus die Stromeinspeisung zu gestatten, darauf haben sich bereits die bisherigen GroKo-Parteien verständigt. Wenn auch erst auf den letzten Drücker, nämlich kurz vor der Jahreswende 2020/21. Denn ansonsten wären an Neujahr jede Menge Solarkilowatt vom Netz genommen worden – ein absoluter Unsinn, weil die Module und Wechselrichter ja nicht nach jenen gut 20 Betriebsjahren plötzlich aufhören, Solarstrom zu produzieren.
Ein Weitereinspeisen nach 20 EEG-Jahren ist möglich
Auch wer von den nächsten Ü20-Kandidat*innen die eigene PV-Anlage nach dem 31.12.2021 weiterbetreiben will wie bisher, braucht zunächst einmal nichts weiter zu tun, als die PV-Anlage einfach weiterlaufen zu lassen. Das macht schon allein deshalb Sinn, weil politisch ja offiziell Aus- statt Rückbau gewünscht ist.
Dennoch hatten sich bereits einige Solarpioniere, deren PV-Anlagen im EEG-Startjahr 2000 installiert worden waren, das Abschalten zum 01.01.2021 überlegt. Wenn sie nicht gar tatsächlich diesen Schritt getan haben: Die aus Sicht des vergangenen Jahres zu erwartende Vergütung von Ü20-Solarstrom hätte die laufenden Kosten nämlich nicht hereingespielt. Denn etwa 2,5 Cent Vergütung pro Kilowattstunde (ct/kWh) war von der Bundesnetzagentur als wahrscheinlicher durchschnittlicher Börsenstrompreis für das Jahr prognostiziert worden – abzüglich Vermarktungskosten von ca. 0,4 ct/kWh. Doch tatsächlich ging der Strompreis an der Börse in diesem Jahr steil nach oben. Und auch wenn erst an Sylvester 2021 tatsächlich abgerechnet wird: 8 ct/kWh werden es am Ende wohl sicher werden, mindestens also das Dreifache des vorhergesagten Preises.
Als Grund, dass „die Strompreise im Großhandel auf Rekordhöhen steigen“, hat Raimund Kamm, der Landesvorsitzende Bayern im Bundesverband Erneuerbare Energien BEE „den rasanten Anstieg der Brennstoffimportkosten von Erdgas- und Steinkohlekraftwerken und die größer werdende Ökostromlücke“ erkannt.
Das wiederum lässt nicht nur Betreiber von PV-Anlagen bis 100 kWp, die im ursprünglichen Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG festgelegte Maximalgröße, aufhorchen – und nur für die nämlich gilt besagte Ü20-Regelung für sieben Jahre Weiterbetrieb – sondern auch jene, die über 100 kWp hinausgehende Alt-PV-Kraftwerke betreiben. Zur Erinnerung: im EEG des Jahres 2004 war diese 100 kWp-Grenze aufgehoben worden. Wenn solche Anlagen also demnächst aus der 20-Jahres-EEG-Periode mit Garantievergütungen fallen, können die Betreiber Einzelverträge mit Abnehmern abschließen. Und das sicher zu wesentlich höheren Mindest-Vergütungen als besagten 2,5 ct/kWh. Und liegt der tatsächliche Börsenpreis darüber, fließt sogar noch mehr Geld in die Betreiberkasse, nämlich jener an der Börse ermittelte Strompreis abzüglich Vermarktergebühr.
Strom-Lieferpflicht heißt: Bei Ausfall Ersatzteile beschaffen
Das Ganze hat aber einen nicht gerade kleinen Haken: Vielfach enthalten solche Verträge zwischen Alt-Anlagenbetreibern und Neu-Stromkäufern nämlich nicht nur eine auch Abnahme-, sondern auch eine Lieferpflicht. Die ist aber nur schwer einzuhalten, wenn das eine oder andere Modul „aus dem Rahmen fällt“, also kaputt geht. Das kann gerade bei älteren PV-Anlagen zum Problem werden.
Gut, wenn die Anlagenkomponenten von einem Hersteller stammen, der auch heute noch existiert. Oder von einem Unternehmen, das „von der netzautarken Solaranlage über die private PV-Anlage auf der Garage bis hin zum großen Solarpark gemeinsam mit unseren Kunden und Partnern als globaler Anbieter von Energielösungen die Zukunft der Energieversorgung gestaltet“: So liest sich die Selbstdarstellung von IBC Solar aus Bad Staffelstein in Oberfranken. Das Unternehmen wurde 1982 gegründet, also weit früher, als das EEG erfunden wurde. Udo Möhrstedt, Gründer und Vorstandsvorsitzender von IBC erklärt auf unsere Anfrage: „Wir haben von jedem Modultyp, den wir verkauft haben, eine gewisse Menge eingelagert.“ Wenn also etwas ausfällt, könnte dort Ersatz vorrätig sein.
Aber beileibe nicht mehr alle Importeure oder Großhändler, und schon gar nicht all jene Modulhersteller der 2000er Jahre aus allen Ecken dieser Welt, ob Weltkonzern oder Garagenfirma, sind heute noch am Markt: Bekanntlich gab es gerade in Europa im vergangenen Jahrzehnt viele Insolvenzen. In anderen Regionen dieser Welt sind Firmenumbenennungen einfach zu realisieren und werden teils von einem zum anderen Tag wirksam. Da nützen dann auch 25- oder 30-jährige Leistungsgarantien nichts mehr, die oft den Modulen schriftlich beigelegt wurden.
Und selbst wenn Hersteller oder all jene Importeure, die ihren Modulen eigene Typenbezeichnungen geben („labeln“), ihrer Verpflichtung nachkommen, einige Module pro Baureihe aufzuheben, um Ersatz liefern zu können: „Das ist nicht viel, nur etwa ein Prozent, also weit unter der Industriefehlerrate. Das ist nicht genug“, sagt uns ein Insider, der ungenannt bleiben will.
Sich im Bedarfsfall „an den Solarteur des Vertrauens wenden“, wie es von einem deutschen Solarwirtschaftsverband telefonisch empfohlen wird, ist zwar grundsätzlich juristisch richtig – aber auch nicht immer eine Lösung. Denn ja: Zwar hat im Normalfall der Installateur der Anlage den Schwarzen Peter der Ersatzbeschaffung. Aber auch diese Firma kann inzwischen „über den Jordan“ gegangen sein. Und selbst wenn das Unternehmen weiterhin existiert: Ob genau der ausgefallene Modultyp in der notwendigen Zahl dort nach Jahrzehnten noch am Lager vorrätig ist, muss die einzelne Anfrage zeigen.
Und was, wenn nicht?
Ansonsten könnte man zum Beispiel in der Photovoltaik-Datenbank von Secondsol nach den entsprechenden PV-Paneelen suchen. Die Cousins Frank Fiedler und Stefan Wippich haben SecondSol mit Sitz im Thüringer Meiningen 2010 gegründet. „Und damit war der Photovoltaikmarktplatz geboren“, erinnert sich Geschäftsführer Wippich im Gespräch mit unserer Redaktion. Man habe mit der Nutzung des Internet einen echten Mehrwert beim Handel von Photovoltaikprodukten kreieren wollen. Denn so sei „das Finden und der Einkauf einfacher“, steht auf der Plattform zu lesen. Und weiter: „Der Schlüssel für den Erfolg von Secondsol liegt in der Arbeitsweise: Nutzerorientiert, stetige Innovationsbereitschaft und langfristiges Denken. Diese Philosophie hat Secondsol in den vergangenen Jahren zu einem starken Wachstum verholfen. Mittlerweile ist das Unternehmen in ganz Europa und vielen Ländern darüber hinaus aktiv.“ Ob sie mit ihrer damaligen „Idee, den größten Photovoltaikmarktplatz der Welt zu schaffen“ inzwischen am Ziel angekommen sind, ist nicht ganz klar. Fakt sei aber laut Firmengründer Wippich: „Heute haben wir am Standort Meiningen und anderswo auf 8.000 m² Lagerfläche gut 200.000 Module immer vorrätig.“
Wenn PV-Installateuren bei Montagearbeiten auf einer Baustelle ein paar Module fehlen, auf einer zweiten tauschen sie aber einen kompletten Anlagenstring aus mit den gleichen Typen, und darunter sind noch funktionierende Module, dann können sie diese ja für die erste Anlage nutzen. So oder so ähnlich muss es den Secondsol-Cousins um 2007 herum passiert sein. Und dann kam ihnen die Idee, dies als Geschäftsmodell zu professionalisieren. „Es passierte also eher zufällig. Wir haben entschieden: Das machen wir.“, berichtetet Stefan Wippich. Angefangen habe man damit, Module aufzukaufen und auf die neue Internetplattform zu stellen. Damals haben Installateure und Anlagenbetreiber das Internet noch nicht so recht akzeptiert. Doch als ab 2013 die großen deutschen Solarinsolvenzen kamen, „haben wir gemerkt: Jetzt wird es ernst. Von den Insolvenzverwaltern von Schott, Schüco, Donauer und anderen haben wir viel aufgekauft“, erinnert er sich an die Anfangszeiten.
Inzwischen läuft das Geschäft bei Secondsol deutlich anders. „Heute kaufen wir vom Großhandel und Herstellern Restposten auf, aber auch Lagerbestände von Installateuren. Wir lagern halt völlig frei ein“, erzählt Geschäftsführer Wippich und macht dabei den Eindruck: nicht das Geldverdienen steht bei ihm im Vordergrund, sondern die Zufriedenheit der Solarstromgemeinde. Denn die bestehe eben immer weniger wie früher aus nicht gerade armen Ökofreaks, die aus Überzeugung eine PV-Anlage installieren lassen. Heute seien es viele wirtschaftlich denkende Häuslebauer, die sich das Solarstromsystem gerade noch leisten konnten. Wenn wegen eines kaputten Moduls die Anlage ausfalle, könne Secondsol helfen. Genauso hätten aber auch Privatanlagenbetreiber hier die Chance, ein Ersatzmodul zu bekommen, das optisch genauso aussieht wie die bereits am Dach oder Carport montierten: „Es geht nicht immer nur um Technik und Preis, sondern oft auch die Ästhetik.“
Fast alles Neuware
Auch auf ein mögliches Missverständnis weist Wippich ausdrücklich hin: „Secondsol suggeriert zwar, wir hätten gebrauchte Module. Der Großteil aber ist tatsächlich nigelnagelneu.“ Deshalb kaufe das Unternehmen „auch zu mehr oder weniger Marktpreisen ein. Dazu habe ich sehr viel manuelle Arbeit, vom Prüfen übers Einlagern bis zum Onlinebringen. Deshalb können wir eben nicht für einen Euro pro Watt anbieten“, erklärt der Firmengründer den Preis für Ersatzmodule.
Häuslebauer – das sind unsere Kunden
Und während zwischenzeitlich der Export von Restmodulen zum Beispiel nach Afrika einigen Anteil ausmachte, sei heute „damit kein Geschäft mehr zu machen“. Denn die Containerpreise für den Transport seien so exorbitant gestiegen, dass die Kalkulation für die Kunden nicht mehr stimme. Selbst beim Handel mit Gebrauchtmodulen. „Das sind aber keine Ü20-Anlagen“, stellt er ausdrücklich klar. Und er kritisiert: Viele Hersteller, gerade solche aus Asien, interessiere das Thema Ersatzteile kaum. „Dabei ist das wichtig für die Nachhaltigkeit. Das organisieren dann eben wir.“
Dennoch: Von Privatleuten angebotene Produkte kaufe man keine auf. Dafür habe das Unternehmen seinen „Marktplatz“ secondsol.de für fremde Anbieter geöffnet. „Das ist für den privaten Nutzer vollkommen kostenfrei. Und da suchen auch ganz viele“, wie Wippich erklärt. Doch dort finden sich auch jede Menge als „gewerblich“ gekennzeichnete Angebote Dritter. Für deren Anbieter ist zwar der „Einstieg kostenfrei“. Doch je mehr Komfort diese Anzeigen bieten, umso mehr kosten diese „Inseratpakete“. Sprich: Die Seitenbetreiber verlangen entsprechende Gebühren.
Dass sich das Angebot immer mehr herumspricht, zeigen laut Wippich „22.000 Nutzer auf der Plattform – überwiegend Installateure, die meisten aus Deutschland, der Rest meist aus ganz Europa von Portugal über Großbritannien und Italien bis nach Griechenland“. Viele von denen „stellen selber Module ein. Manchmal steht da etwas von >alte Schätzlein aus dem Lager<.“
Menschgemachter Klimawandel stärkt das Geschäft
Die Meininger sehen sich „als Mittler zwischen Hersteller und Kunden“. Inzwischen gebe es Kooperationen mit einigen großen Projektentwicklern. Und wer im Webshop eines bekannten Elektrogroßhändlers Solarprodukte kaufe, bekomme die im Endeffekt oft von Secondsol.
Firmengründer Stefan Wippich bekennt aber auch: „Eigentlich ist es fast zynisch. Denn der Klimawandel stärkt unser Geschäft.“ So gebe es dank steigender Zahl von PV-Anlagen auch immer mehr Hagelschäden. Und auch nach Stürmen bekomme das Unternehmen jeweils mehr Anfragen. Momentan seien es im Schnitt 150 Verkäufe pro Woche.
Unsere Recherchen werden im Übrigen vom Bundesverband Solarwirtschaft BSW-Solar bestätigt. Deren „Technikreferentin sind auch nur die beiden Firmen SecondSol und Rinovasol bekannt“, heißt es von dort auf Nachfrage. Die Anbieter charakterisiert BSW-Solar so: „SecondSol ist eine Plattform und verkauft Ersatzteile und neue Module, sie haben viele Firmen im Hintergrund und ein großes Lager“; von Rinovasol habe jene Technikreferentin „Gemischtes gehört“. Auf jeden Fall aber müsse „nach Ablauf der Gewährleistung in der Regel selber nachgekauft werden und dann ist es im Zweifel ein Versicherungsfall. Im Falle eines Insolvenzverfahrens (des Herstellers, d. Red.) gilt dann eine Leistungsgarantie, wenn ein anderer Marktteilnehmer Teile des Marktes übernommen hat.“ Was sich wiederum so anhört, als könne jeweils ein recht langer Betriebsausfall folgen.
Doch nicht nur bei Modulausfall gibt es ein Nachkaufproblem, sondern zum Beispiel auch dann, wenn man die Anlage erweitern will und das aus optischen Gründen mit den bereits montierten Komponenten. Das möchte beispielsweise dieser User einer Photovoltaik-Facebookgruppe: „Servus in die Runde! Ich suche noch acht Module des Typs Q.PEAK DUO-G6 340-355, um das Dach voll zu machen. Hat jemand eine Idee?“ Unsere Empfehlung an diesen Ergänzungs-Solarbetreiber (neben den bereits genannten Tipps): bei Onlinemärkten wie Ebay nachschauen. So war dort Ende Oktober 2021 ein Paket mit 12 nagelneuen Stücken genau dieses Typs mit je 355 Watt Modulleistung zum Gesamtpreis von gut 2.000 Euro zu haben. Sprich: Ein Watt kostete dort brutto gerade mal 47 Cent. Da kann er den Rest von vier Stück ja schon fast an Balkonsolar-Interessent*innen verschenken.
Oder einfach mal bei einer der beiden genannten Firmen nachfragen. Denn selbst der BSW-Solar, bei dem vor allem Hersteller und Händler Mitglieder sind, hat keine bessere Idee. Stattdessen schiebt Pressereferentin Nike Marquardt den Schwarzen Peter an gemeinnützige Vereine weiter: „Wir sind nicht der richtige Ansprechpartner, da wird ja kein Betreiberverband sind. Da würden wir lieber an die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) oder den Solarenergie-Förderverein (SFV) verweisen.“ Das Geschäft aber haben andere gemacht.
Heinz Wraneschitz