Eine verpasste Chance
Die Kampagne „SOLAR – SO HEIZT MAN HEUTE“ wird ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht
Die Aussetzung der Förderung solarthermischer Anlagen nach dem Marktanreizprogramm MAP im Frühjahr dieses Jahres war für uns absolut kontraproduktiv“, urteilt Stefan Söhnle vom Solarenergie Kompetenzzentrum solid gemeinnützige GmbH in Fürth. Solid betreut eines von drei Kompetenzzentren, die im Rahmen der Kampagne „Solar – so heizt man heute“ seit Jahresbeginn eingerichtet wurden und die den Bau großer solarthermischer Anlagen, kurz GroSol, in Deutschland voran bringen sollen. Mit der Kurzformel GroSol sind Solarwärmeanlagen für Miethäuser mit drei bis zwölf Wohneinheiten gemeint, die zumeist von Kleinanbietern und Privatleuten betrieben werden. Sie machen in Deutschland rund 90 Prozent der Mehrfamilienhäuser aus und beherbergen immerhin 80 Prozent aller Mietwohnungen. Die Zentren sollen Hilfestellung für Investoren und Schulungen für Fachleute aus Handwerk, Energieberatung und Planung bieten. Im Internet gibt es auf Mehrfamilienhäuser zugeschnittenes Informationsmaterial.
Schnittstellen: Handwerker und Vermieter
Während die solare Wärme bei Ein- und Zweifamilienhäusern weit verbreitet ist, gibt es in Deutschland noch zu wenige Anlagen, die Gebäude mit mehr als zwei Wohneinheiten versorgen.
Da in diesem Marktsegment die Beratung und somit auch vielfach die Kaufentscheidung über ein enges Verhältnis des Hausbesitzers zu einem vertrauten Installationsbetrieb läuft, zielt die erste Phase der breit angelegten Kampagne auf die Information der Handwerksbetriebe und die zweite, die nun nach den Querelen um das MAP, im Frühjahr 2011 starten soll, auf die Vermieter. Finanziert wird dies zu jeweils 50 Prozent vom Bundesumweltministerium (BMU) und den beiden Verbänden Bundesindustrieverband Deutschland Haus-, Energie- und Umwelttechnik e.V. (BDH) und Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) bzw. deren Mitgliedsfirmen.
Die Koordination der Öffentlichkeitsarbeit von „Solar – so heizt man heute“ liegt bei der Sunbeam GmbH aus Berlin. Auch eine Reihe anderer durch das BMU geförderter Aktivitäten soll der „Marktbelebung“ dienen. Dazu zählen Ausarbeitungen zu den Themen Technik und Recht. Hauptverantwortlich für den Bereich Technik ist die Solarpraxis AG, für den Bereich Recht die Anwaltskanzlei Geiser & von Oppen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten finden Eingang in die Webseite www.solarwaerme-info.de. Zentral ist neben der Webseite vor allem die Informationsbroschüre „Solarwärme – Informationen für Vermieter“.
Erste Erfahrungen
Betrachtet man die Erfahrungen der Kampagne nach einem knappen Jahr, so bietet sich ein durchwachsenes Bild. Als positiv bewertet Vera Neuhäuser von Sunbeam die Resonanz in der Fachpresse sowie den Tages- und Wochenmedien. Das Thema sei dort zum ersten Mal breit verhandelt worden. Auch Stefen Söhnle meint, das sei für seine Veranstaltungen und Workshops hilfreich, allerdings ließe es sich schwer quantifizieren, wie viele der Interessenten nun direkt durch die Kampagne motiviert wurden. Bei der Berliner Energieagentur GmbH (BEA), die das Kompetenzzentrum Region Ost betreut, berichtet Susanne Berger, dass über 250 Handwerker sich das Informationsmaterial bestellt hätten. Auch die Broschüre komme gut an, „es gab ja bisher nichts.“
Darüber hinaus seien die Handwerker aber noch sehr zurückhaltend, hört man aus allen Kompetenzzentren. Besser sei die Erfahrung bei Planern und Energieberatern. Die Veranstaltungen, Workshops und Exkursionen – in Berlin sind fünf bis sechs pro Jahr im Angebot – würden von diesen gut angenommen. Schwierig sei es allerdings, von der Großstadt Berlin in die Fläche zu kommen, so Bergers Erfahrung. Auch falle auf, dass es zwar regelmäßig Anrufe bei der Hotline gebe, selten aber konkrete Fragen gestellt würden. Insgesamt sei es wohl so, dass vor allem die Hauseigentümer wenig bis schlecht informiert seien. Interesse sei zwar vorhanden, aber das Thema brauche wohl eine lange Vorlaufzeit, meint sie. Für die zweite Stufe der Kampagne ab dem kommenden Frühjahr lässt Söhnle Skepsis durchscheinen, es werde wohl „ein Neuanfang mit unsicherem Ergebnis“.
Die Kampagne ist noch nicht der Renner
Sicher hat das zeitweilige Einfrieren der Förderung aus dem MAP der Kampagne ebenso geschadet wie der gesamten Branche. Dass die Kampagne nicht unbedingt zum Renner geworden ist, liegt jedoch nicht unmittelbar an der Arbeit der Kompetenzzentren oder an der PR-Arbeit von Sunbeam. Untersucht man das Konzept und die Argumentationslinien der Kampagne, entsteht der Eindruck, dass es sich in etwa um den kleinsten gemeinsamen Nenner handelt, auf den sich die beteiligten Geldgeber einigen konnten. So wird auf die Tatsache, dass große Solaranlagen kein allzu gutes Image haben und auf Skepsis bis Ablehnung bei den Zielgruppen stoßen, nicht eingegangen. Eine Erläuterung des „Wo stehen wir heute?“ wird nicht geboten. Es wird vielmehr so getan, als ob sich große Solaranlagen per se rechnen. Folglich wird auch nicht versucht, Antworten auf die Frage zu geben, ob die früheren Probleme der ersten GroSol-Anlagengeneration inzwischen gelöst und aktuelle Angebote nicht mehr mit diesen Problemen behaftet seien.
Imagewerbung
Dazu lohnt ein kurzer Blick zurück. Die Entwicklung großer Solarwärmeanlagen hat später eingesetzt als der solare Anlagenbau für Einfamilienhäuser. Damals glaubten viele Hersteller, ihre im EFH/ZFH bewährten Standardanlagen nach oben skalieren zu können, haben aber die damit einher gehenden Probleme unterschätzt. Eine konventionelle Solaranlage wurde in der Regel als Vorwärmanlage konzipiert und indirekt über Pufferspeicher an die vorhandene Haustechnik angeschlossen. Diese Auslegung und eine fehlende übergeordnete Steuerung führten vielfach dazu, dass die Kessel über lange Perioden zum Nachheizen gezwungen wurden, was zu unwirtschaftlichen Heizintervallen führt und den Jahresnutzungsgrad verschlechtert. Der Imageschaden hatte also durchaus seinen Hintergrund. Auf der Webseite www.solarwaerme-info.de findet man dazu lediglich den unauffälligen Hinweise auf „Nebeneffekte der Rücklaufanhebung“ und dazu den Satz „Die Anhebung der Rücklauftemperatur kann bei bestimmten Wärmeerzeugern zu unerwünschten Nebeneffekten führen“.
Studiert man das Informationsmaterial von „Solarwärme – so heizt man heute“, so entsteht der Eindruck, hier wird zwar eine Imagebildung in guter Absicht gefördert, allerdings wohl wissend, dass nicht alle Anlagen den Anforderungen genügen, und das sollte besser nicht bekannt werden. Schaut man in die Liste der geldgebenden Unternehmen, die über ihre Verbände beteiligt sind, wird schnell klar, warum. Die Kampagne soll keinen der Wettbewerber – es handelt sich schließlich um die Creme de la Creme der Solarbranche – in ein schlechtes Licht rücken. Das ist verständlich und nachvollziehbar, ist aber zugleich eine der Schwächen der Kampagne, die ihr Überzeugungskraft kostet.
Deutlich wird das bei den „technischen Informationen“, die auf der Webseite www.solarwaerme-info.de angeboten werden. Da man schlecht hingehen und sagen kann, die Anlage A von Anbieter B ist besser als die von C, wird Hilfsweise mit fünf, scheinbar objektiven Funktionsprinzipien jeweils für Warmwasser bzw. Warmwasser mit Heizungsunterstützung gearbeitet. Und das schön übersichtlich in Tabellenform, der Interessent soll sich also die für ihn richtige Anlage aussuchen können. Doch was ist für ihn die Beste? So werden neben die Stichworte „Bezeichnung“, „Einsatzgebiet“, „Checkpunkt Gebäude“ und „Checkpunkt Technik“ kurze Charakterisierungen gestellt, die in ihrem Informationsgehalt derart unklar oder nichtssagend sind, dass sie den Betrachter ratlos lassen. Was hilft es einem Hausbesitzer, wenn er in der Zeile „Checkpunkt Technik“ Antworten wie „Zapfprofil, sommerliche Nachheizung“ oder „Zapfprofil, Auslegung der Trinkwasserstation“ liest. Die danebenstehenden Bildchen machen die Sache nicht besser, im Gegenteil, manch interessierter Hausbesitzer oder auch Installateur dürfte die Seite fluchtartig verlassen.
Kollektorfläche: Viel hilft viel?
Dass dies keineswegs ein zufälliger Fehler im Informationsmaterial ist, erschließt sich bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Aspekte. Unter der Rubrik „Förderung, Finanzierung, Wirtschaftlichkeit“ fällt auf, dass sehr allgemein argumentiert wird, große Solaranlagen sparten mehr Energiekosten, als sie Kapitalkosten verursachen. Das ist eine Zeitraum-Betrachtung, die die Überprüfung einer fernen Zukunft überlässt. Dabei wird so getan, als ob der Kollektorertrag die Einsparung sei. Das ist die zentrale Botschaft der gesamten Imagekampagne. Je mehr Kollektorfläche auf dem Dach installiert werden, desto besser, dies erhöht nämlich den Kapitalwert der Immobilie und nützt dem Klima. Deutlich wird dabei nicht, dass die Höhe der Investitionen sich an der Höhe der daraus folgenden Modernisierungsumlage zu richten hat und darin bzw. in der Mietobergrenze eines Mietspiegels ihre Begrenzung findet. Nicht jeder Besitzer eines Mehrfamilienhauses kann schließlich die Investition in eine große Solaranlage aus eigener Tasche bezahlen, er muss sie stattdessen per Umlage aus den Einnahmen aus der Nettokaltmiete refinanzieren. Genau darin besteht ja einer der Unterschiede zum EFH.
Dabei fällt auf, dass die Möglichkeit der Modernisierungsumlage zwar rechtlich korrekt dargelegt wird, aber immer wieder herunter gespielt wird, so als ob man sie gar nicht wirklich propagieren wollte. Das wird im Übrigen auch von Mitarbeitern aus den Kompetenzzentren bestätigt, das Thema solle man klein halten. Der Grund dafür ist einfach. Eine Modernisierungsumlage erfordert den Nachweis der tatsächlichen Einsparung. Das würde, im Gegensatz zur Zeitraum-Betrachtung eine Zeitpunkt-Betrachtung erfordern, also die Frage aufwerfen, was spart der einzelne Mieter konkret pro Monat. Zugespitzt würde dies seinen Ausdruck in einer veränderten monatlichen Heizkostenpauschale finden. Genau dies würde aber wieder zur Frage zurück führen, welche Anlage die beste, sprich die ökonomischste ist. Thematisiert würde das optimierte Zusammenspiel von solarer und fossiler Komponente bei der Gesamtanlage, also letztlich die Frage der Gesamteffizienz der solaren Heizungsanlage. Bei genauer Analyse würde man dann schnell feststellen, dass es sehr wohl technisch-konzeptionelle Unterschiede bei den auf dem Markt angebotenen Anlagen gibt, und dass diese zu deutlich unterschiedlichen wirtschaftlichen Ergebnissen führen. Aber dies will bzw. muss man ja vermeiden.
Die verpasste Chance
So entsteht eine Argumentation, die nicht Fisch nicht Fleisch ist. In der Realität wird eine Investition nach kaufmännischen Gesichtspunkten getätigt. Das ist auch bei Amateurvermietern so, mögen sie noch so wohlhabend und klimafreundlich sein. Es hilft wenig, darauf hinzuweisen, dass die Investitionskosten im Verlauf von 20 Jahren schon wieder rein kämen, per Umlage natürlich. Entscheidend ist, dass die Refinanzierung kaufmännisch konkret nachgewiesen werden kann, und dem Investor einsichtig wird, dass auch er vom Einbau einer großen Solaranlage profitiert. Und zwar nicht nur bei der Steigerung seines Kapitalwertes, sondern in seiner Bilanz. Der Verweis auf den Kapitalwert bleibt letztlich abstrakt und materialisiert sich eh nur bei der Veräußerung einer Immobilie. Konkret geht es um die Erhöhung der Nettokaltmiete, die, wenn die Anlage amortisiert ist, für ihn als Surplus in der Tasche bleibt. Und das bei einer möglichst sofortigen Warmmietenneutralität. Das mag banal oder auch utopisch klingen oder für manchen unschicklich sein. Aber auch Solarwärmeanlagen werden letztlich nur verkauft, wenn sie profitabel sind, in Euro und Cent, und wenn dies konfliktfrei mit der Mieterschaft realisiert werden kann. Das ist etwas anderes als die blumige Versprechung, es würde sich im Laufe der Zeit schon rechnen.
Fazit
So bleibt festzustellen, dass die ökonomischen, klimapolitischen und sozialen Vorteile einer solaren Modernisierung im ganzen PR-Material der Kampagne nicht deutlich herausgearbeitet werden. Der grundsätzliche Unterschied zwischen einem schlichten Kesselersatz und der Investition in große Solaranlagen, dass nämlich das eine Geld kostet und das andere zu einer langfristigen Erhöhung der Nettokaltmieten bei gleichzeitiger Warmmietenneutralität führen kann, wird nicht deutlich. Die Kriterien, die sowohl ein Hausbesitzer, wie auch ein Installateur für eine richtige Wahl brauchen, werden nicht entwickelt und propagiert. Der Paradigmenwechsel, den große Solaranlagen bedeuten, so sie denn laufen und zu einer nachweisbaren Steigerung der Gesamtenergieeffizienz führen, wird nicht deutlich. Die Kampagne „Solar – so heizt man heute“ wird ihrem eigenen Anspruch bislang kaum gerecht, eine verpasste Chance.
Zehn Kriterien für eine Auswahl großer Solaranlagen
- Solarwärmeanlagen sind Hybridsysteme, die die Heizung und die Warmwasserversorgung beliefern, reine WW-Anlagen lassen sich wirtschaftlich nicht abbilden.
- Als Hybridsysteme müssen sie mit allen anderen Energieträgern – also Öl, Gas, KWK-Fernwärme, Pellets und Erwärme – kombinierbar sein.
- Keine Vorwärmanlagen sondern solche, die eine direkte Belieferung der Verbraucher (WW und Heizung) mit der Sonnenwärme vornehmen und nur Überschüsse speichern.
- Wärmemengenzähler als Teil der Anlage, die den Verbrauch im solaren wie im konventionellen Teil der Anlage abbilden und überwachen können.
- Monitoring, am besten per Internet, zur Überwachung und Fernparametrierung der Anlage und zur dauerhaften Sicherstellung der Einsparziele bzw. der Gesamteffizienz.
- Klare Aussagen von Hersteller/Installateur/Planer über Einsparziele des Gesamtsystems auf Basis einer Wirtschaftlichkeitssimulation;keine blumigen Ansagen über Solarerträge.
- Daraus abgeleitet eine belastbare Rentabilitätsberechnung, mit Aussagen zur Höhe der notwendigen Modernisierungsumlage, also der zukünftigen Nettokaltmiete.
- Plus Berechnung des Break even points und Darstellung des Zeitpunktes, mit kumuliertem Ertrag der erhöhten Nettokaltmiete für einen Zeitraum von 20 Jahren.
- Plus Berechnung der verminderten Heiz- und WW-Kosten (Warmmiete) mit Bewertung der Warmmietenneutralität, als Grundlage für eine veränderte Heizkostenpauschale.
- Möglichkeit zum Wechsel des Versorgers bzw. der Energieart im Zusammenhang mit dem Einbau einer Solarwärmeanlage.
Klaus Oberzig